Von Ralph Rückert, Tierarzt, und Johanne Bernick, Tierärztin
Die Fotos zeigen den zwar erfreulichen, aber sich über viele Wochen ziehenden Heilungsverlauf einer großflächigen Verbrennung dritten Grades auf dem Rücken eines kleinen Hundes. Diese Verbrennung ist während eines Eingriffs in Narkose entstanden. Das kann auf zweierlei Art passieren: Zum einen (und eher selten) durch die sogenannte Neutralelektrode eines Hochfrequenzchirurgiegerätes, zum anderen (und deutlich häufiger) durch die zu hohe Temperaturabgabe einer Wärmematte, wie sie zum Erhalt der Körpertemperatur der Patienten während Narkosen verwendet wird.
Das ist ein klassischer Fall! Kommt zwar insgesamt selten vor, aber doch häufig genug, dass wir Tierärzt:innen alle einen echten Horror davor haben. Den Gedanken, dass man das während der OP zwangsläufig bemerken oder gar riechen müsste, kann man gleich vergessen. Schon eine geringfügig zu hohe Temperatur (42 Grad plus) der Wärmematte kann solche schweren Schäden verursachen . Durch die lange Einwirkzeit und die Minderdurchblutung der auf der Matte aufliegenden Hautpartien kommt es zu einer meist (je nach Fellstruktur und Haarlänge) erst nach Tagen zu bemerkenden, aber extrem schmerzhaften und tiefreichenden Hautnekrose (Gewebeuntergang). Ursache ist meist technisches oder menschliches Versagen, also zum Beispiel ein Defekt des Mattenthermostaten oder ein versehentliches Verstellen desselben.
Uns ist das bisher noch nie passiert (drei Kreuzzeichen!), aber man lebt bei der Anwendung elektrischer Wärmematten immer in der Angst vor einem Fehler oder einem Versagen der Technik. Nur als Beispiel: In einem Fall, von dem wir neulich gehört haben, war am Vortag einer Operation ein Techniker des Wärmemattenherstellers in der Praxis und hat nach der Funktionsprüfung den Regler unglücklicherweise auf höchster Stufe stehengelassen, was vor der Lagerung des Patienten auf der Matte niemand bemerkte. Und schon war es passiert!
Warum wird ein Narkose-Patient überhaupt aktiv gewärmt? Die Körpertemperatur sinkt aus verschiedenen Gründen während eines Eingriffs in Vollnarkose immer mehr oder weniger schnell ab, was aus medizinischer Sicht absolut unerwünscht und möglichst zu vermeiden ist, da es gravierende negative Folgen für den gesamten Organismus nach sich zieht und das allgemeine Narkose- und OP-Risiko deutlich erhöht. Die rein passiven Maßnahmen gegen Auskühlung (Söckchen an den Pfoten, isolierende Unterlagen oder die Verwendung von Decken über dem Rumpf) reichen allenfalls für sehr kurze Eingriffe aus. Dauert die Narkose länger, kann die normale Körpertemperatur nur durch zusätzliche aktive Wärmezufuhr gehalten werden.
Es ist uns sehr wichtig, dass Sie diesen Punkt wirklich verstehen, bevor Sie gleich mit „Geht gar nicht!“ in empörte Schnappatmung verfallen! Eine Verbrennung wie die in den Fotos dargestellte ist letztendlich die extrem unglückliche Folge einer eigentlich wirklich wichtigen, gut gemeinten Bemühung und trifft einen auch als verantwortlicher Tierarzt mitten ins Herz. In einer Praxis, die sich einen feuchten Kehricht um die Erhaltung der Körpertemperatur der Patienten schert, kann so ein Unfall logischerweise gar nicht erst passieren. Das ist aber trotzdem überhaupt nicht gut! Ohne aktive Wärmezufuhr geht es nach heutiger Auffassung einfach nicht!
In einem Punkt beißt die Maus allerdings keinen Faden ab: Wenn es zu so einem Unfall in all seiner Schrecklichkeit für den Patienten, seine Besitzer UND die Tierärztin / den Tierarzt kommt, haftet man als Tierarztpraxis in der Regel voll und ganz für die aufgrund der dann nötigen langwierigen Behandlung meist sehr teuren Folgen. Würde das in meiner Praxis passieren, müsste deshalb niemand zum Anwalt rennen. Ich würde den ganzen Vorgang mit schwerer Zerknirschung und unter dem Ausdruck meines größten Bedauerns postwendend meiner Haftpflichtversicherung übergeben und von dieser natürlich erwarten, dass sie die aus dem Hautschaden entstehenden Behandlungskosten vollumfänglich übernimmt.
Viel besser aber ist es natürlich, wenn man so ein Ereignis mit allen Mitteln zu vermeiden versucht. Gibt es eine Methode der aktiven Erwärmung, die sich allen anderen als überlegen erwiesen hat? Ja, gibt es, nämlich spezielle Unterlagen und Decken, die von einem Warmluftgebläse mit erwärmter Luft durchströmt werden. Mit diesen sogenannten konvektiven Wärmemanagement-Systemen sind Verbrennungsschäden so gut wie ausgeschlossen. Zudem ist die temperaturerhaltende Wirkung auf den Patienten der von elektrischen oder mit Wasser betriebenen Wärmematten weit überlegen.
Nachdem ich bezüglich dieser konvektiven Systeme lange ein ungutes Gefühl hatte, weil die aus der Humanmedizin kommenden Unterlagen und Decken (teure) Wegwerfartikel und dementsprechend von jeglicher Nachhaltigkeit weit entfernt sind, ist dieser Einwand inzwischen durch die Markteinführung waschbarer Unterlagen bzw. Decken speziell für die Tiermedizin vom Tisch. Sprich: Wir haben sogleich aufgerüstet und können uns nun bezüglich des Temperaturmanagements unserer narkotisierten Patienten und der daraus entstehenden Gefahren deutlich entspannter fühlen. Das letzte Foto zeigt so ein Warmluftgebläse mit angeschlossener Unterlage auf unserem Zahnbehandlungstisch.
Bleiben Sie uns gewogen, bis bald,
Ihr Ralph Rückert, Ihre Johanne Bernick
© Kleintierpraxis Ralph Rückert, Römerstraße 71, 89077 Ulm
Sie können jederzeit und ohne meine Erlaubnis auf diesen Artikel verlinken oder ihn auf Facebook teilen. Jegliche Vervielfältigung oder Nachveröffentlichung, ob in elektronischer Form oder im Druck, kann nur mit meinem schriftlich eingeholten und erteilten Einverständnis erfolgen. Von mir genehmigte Nachveröffentlichungen müssen den jeweiligen Artikel völlig unverändert lassen, also ohne Weglassungen, Hinzufügungen oder Hervorhebungen. Eine Umwandlung in andere Dateiformate wie PDF ist nicht gestattet. In Printmedien sind dem Artikel die vollständigen Quellenangaben inkl. meiner Praxis-Homepage beizufügen, bei Online-Nachveröffentlichung ist zusätzlich ein anklickbarer Link auf meine Praxis-Homepage oder den Original-Artikel im Blog nötig.