Von Fundtier-Notfällen und der „Geschäftsführung ohne Auftrag“

Von Ralph Rückert, Tierarzt

Im Mai 2022 kehrte der Münchner Kater Rocky für einige Tage nicht nach Hause zurück, wurde schließlich von einer fremden Person bewusstlos aufgefunden und landete in einer Tierklinik, wo er als Notfall aufgenommen wurde. Während der erfolgreichen Notfallbehandlung konnte die Besitzerin des Katers über ein Haustierregister ermittelt und benachrichtigt werden, so dass sie Rocky am nächsten Tag aus der Klinik abholen konnte. Die entstandenen Gebühren von etwa 560 Euro wollte die Tierbesitzerin aber nicht bezahlen, da sie über die Behandlung nicht rechtzeitig informiert worden sei und sie ihren Kater eigentlich zu ihrem Haustierarzt hätte bringen wollen.

Das Amtsgericht München hat nun im August dieses Jahres in einem rechtskräftigen Urteil entschieden, dass die Tierbesitzerin diese Kosten sehr wohl in vollem Umfang zu tragen hat. Die Grundlage des Urteils stellte das Prinzip der „Geschäftsführung ohne Auftrag“ dar. Da diese Fälle, also Tiere, die von fremden Personen als Notfall in Praxen oder Kliniken gebracht werden, gar nicht mal so selten sind, gehe ich hier noch ein bisschen ausführlicher darauf ein, warum Sie als Tierbesitzer:innen für solche Notfallbehandlungen bezahlen müssen, auch wenn sie ohne Ihren spezifischen Auftrag erfolgen.

Das juristische Konstrukt der „Geschäftsführung ohne Auftrag“ gibt es seit rund 2000 Jahren, denn schon im alten Rom wurden gesetzliche Regelungen für den Fall getroffen, dass jemand ohne Wissen und Auftrag, aber zugunsten einer anderen Person ein Geschäft durchführt oder veranlasst, was eigentlich in der Zuständigkeit dieser anderen Person gelegen hätte. Auf diesem Prinzip – in Deutschland geregelt in den Paragraphen 677 bis 687 des Bürgerlichen Gesetzbuches – beruht auch das Urteil des Amtsgerichts München.

Der Argumentation des Gerichts zufolge hätten die Kolleginnen und Kollegen in der Tierklinik (in so einem Fall juristisch als „Geschäftsführer“ bezeichnet) zwar auch aus eigener Verpflichtung (Berufsordnung!) gehandelt, bei der Behandlung des Katers zugunsten der Besitzerin (juristisch „Geschäftsherrin“) hätte es sich aber um ein „fremdes Geschäft“ gehandelt, weil sie diese Notfallbehandlung ja hätte allemal durchführen lassen müssen, was sich zwangsläufig aus Paragraph 1 des Tierschutzgesetzes ergibt, nach dem niemand einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen darf. Dass die Kolleginnen und Kollegen die Notfallbehandlung unverzüglich durchführten, lag also laut Amtsgericht im Interesse der Tierbesitzerin.

Nun gibt es ja auch noch den Paragraphen 681 BGB, in dem steht: „Der Geschäftsführer hat die Übernahme der Geschäftsführung, sobald es tunlich ist, dem Geschäftsherrn anzuzeigen und, wenn nicht mit dem Aufschub Gefahr verbunden ist, dessen Entschließung abzuwarten.“ Aber auch diese Regelung wurde nach Ansicht des Gerichts nicht verletzt, da es sich um eine Notfallbehandlung gehandelt habe, deren Aufschub eben durchaus mit Gefahr für das Tier verbunden gewesen wäre.

Also, Fazit: Kommt Ihr entlaufener Hund oder Ihre Freiläufer-Katze irgendwie zu Schaden und wird von einer fremden Person in eine tiermedizinische Einrichtung gebracht, müssen Sie die dort dann durchgeführte Notfallbehandlung nach dem erläuterten Prinzip der Geschäftsführung ohne Auftrag auch bezahlen. Das gilt ebenso, wenn Sie Ihre Katze oder Ihren Hund in eine Urlaubsbetreuung gegeben haben und die betreuende Person sich gezwungen sieht, wegen eines plötzlichen gesundheitlichen Problems des Tieres in aller Eile irgendeine verfügbare Praxis oder Klinik aufzusuchen, ohne Sie erst benachrichtigen und Ihren Entschluss abwarten zu können. Der Einwand, dass die betreuende Person und nicht Sie selbst den Behandlungsauftrag erteilt hätten, zieht in solchen Fällen ganz sicher nicht!

Achten Sie bitte auch darauf, dass Sie durchgehend erreichbar bleiben, wenn Sie Ihr Tier für einen Eingriff in einer Praxis oder Klinik abgegeben haben und in der Zwischenzeit anderen Dingen nachgehen. Tritt nämlich während des Eingriffs eine unerwartete Entwicklung oder gar Komplikation auf, können die behandelnden Tierärzt:innen bei Nichterreichbarkeit Ihrerseits nur annehmen, dass es in Ihrem Sinne ist, alles zu unternehmen, was medizinisch möglich ist, um Schaden von Ihrem Tier abzuwenden. Auch für diese dann durchgeführten und nicht vorhersehbaren Maßnahmen müssen Sie finanziell geradestehen, obwohl Sie dafür keinen spezifischen Auftrag erteilt haben.

Selbstredend kann es bei so einer Geschäftsführung ohne Auftrag immer nur um die in diesem Moment dringend gebotenen Maßnahmen gehen. Um bei Kater Rocky als Beispiel zu bleiben: Hätte jemand in der behandelnden Klinik beschlossen, dass man ihn, wenn er schon mal da ist, auch noch schnell impfen sollte, dann hätte die Besitzerin die dadurch entstanden Gebühren mit Fug und Recht verweigern können.

Das Rechtsprinzip der Geschäftsführung ohne Auftrag kommt übrigens auch dann zur Anwendung, wenn die Besitzer des betreffenden Tieres im weiteren Verlauf nicht ermittelt werden können, denn dann hat die zuständige Fundbehörde die entstehenden Kosten einer notwendigen tiermedizinischen Versorgung zu übernehmen. Dies gilt NICHT für wildlebende Katzen (Wildlinge), was von den Fundbehörden gerne als Argument verwendet wird, um nicht zahlen zu müssen. Das Verwaltungsgericht Koblenz hat da aber in einer Entscheidung vom September 2017 klare Grenzen gezogen. Zum Beispiel sind Katzen, die einen Chip haben oder ein Halsband tragen, die die Gesellschaft von Menschen suchen oder die im weiteren Verlauf über das Tierheim erfolgreich in einen neuen Haushalt vermittelt werden können, sicher nicht als Wildlinge einzustufen. In solchen Fällen führt die behandelnde Praxis oder Klinik ein Geschäft für die Fundbehörde, was diese dann auch zu bezahlen hat.

Bleiben Sie uns gewogen, bis bald, Ihr

Ralph Rückert

 

© Ralph Rückert

Sie können jederzeit und ohne ausdrückliche Erlaubnis auf diesen Artikel verlinken oder ihn auf Facebook teilen. Jegliche (auch teilweise) Vervielfältigung oder Nachveröffentlichung, ob in elektronischer Form oder im Druck, ist untersagt und kann allenfalls ausnahmsweise mit schriftlich eingeholtem Einverständnis erfolgen. Zuwiderhandlungen werden juristisch verfolgt. Genehmigte Nachveröffentlichungen müssen den jeweiligen Artikel völlig unverändert lassen, also ohne Weglassungen, Hinzufügungen oder Hervorhebungen. Eine Umwandlung in andere Dateiformate wie PDF ist nicht gestattet. In Printmedien sind dem Artikel die vollständigen Quellenangaben inkl. meiner Homepage beizufügen, bei Online-Nachveröffentlichung ist zusätzlich ein anklickbarer Link auf meine Homepage oder den Original-Artikel im Blog nötig.

Nach oben scrollen