Von Ralph Rückert, Tierarzt, und Johanne Bernick, Tierärztin
Seit Jahren das immer gleiche Lied: Wann immer jemand in den sozialen Medien seinen Hund als Doodle vorstellt oder sich nach Doodle-Welpen erkundigt, geht sozusagen vollautomatisch das Gekeife los: „Das ist keine Rasse, Doodles sind überteuerte Mischlinge von üblen Vermehrern und Puppy Mills, die nur einen schnellen Euro machen wollen.“
Ja, es stimmt: Labra- oder Goldendoodles, Cava- oder Maltipoos, Schnoodles und Co. sind Hybridhunde, also tatsächlich Mischlinge erster Filialgeneration (F1) unter Beteiligung eines Pudels als Elterntier. Jetzt ist nur die Frage: Ist das per se so schlimm oder verwerflich, wie es immer dargestellt wird?
Zweifellos sind F1-Hybridhunde mit Pudel-Beteiligung eine seit vielen Jahren anhaltende und weiter zunehmende Modewelle in der Hundewelt, was mit einer gewissen Berechtigung so eine Art von prophylaktischem Misstrauen auslöst. Wir Tierärzt:innen sehen sehr viele dieser Tiere in unseren Praxen, in der Regel vom Welpenalter an. Bezüglich der Herkunft lassen sich alle möglichen Varianten feststellen, von echten und ausschließlich profitorientierten Puppy Mills bis hin zu Zuchtstätten, die eigenverantwortlich (und logischerweise ohne irgendeinen Vereinszwang) bei der Auswahl der Elterntiere mit durchaus zufriedenstellender Sorgfalt vorgehen.
Nun sind wir Tierärzt:innen ja nicht sehr heikel, was gewisse Details der Hundezucht angeht. Ein für die betreffende Rasse „illegaler“ weißer Fleck irgendwo am Körper? Ist uns schnurz! Ein fehlender kleiner Prämolar? Eigentlich auch egal! Die häufigste „Rasse“, mit der wir beruflich zu tun haben, ist sowieso der Mischling, in der Regel mit schwer zu definierenden Vorfahren. So gesehen sind Doodles und Co. für uns nichts wirklich Besonderes, sondern halt gezielt produzierte Mischlinge.
Aus medizinischer Sicht ist uns eigentlich auch egal, was für diesen oder jenen Welpen bezahlt worden ist oder wer da jetzt wie viel Geld verdient hat. Die Produktion von Welpen, für die eine Nachfrage besteht, ist allemal ein profitables Geschäftsmodell, ob nun für eine ungarische Puppy Mill, für die häufig genug unter dem Deckmantel „Auslandstierschutz“ agierende Welpenmafia oder für den vermeintlichen VDH-„Hobbyzüchter“.
Was uns beruflich an Hunden interessiert, lässt sich auf drei schlichte Fragestellungen reduzieren: Ist der Welpe funktionell und grundsätzlich gesund, auch und nicht zuletzt, was sein Verhalten angeht? Bleibt er im weiteren Lebensverlauf weitgehend gesund und erreicht er eine normale Lebensspanne? Und last but not least: Erfüllt er die Erwartungen seiner Besitzer:innen?
Bezüglich der Gesundheit von Doodle und Co. haben wir eigentlich keine schwerwiegenden Einwände. Klar, die Hybridhunde schleppen immer auch die Prädispositionen ihrer Elternrassen mit. Ein Labradoodle kann als halber Labrador natürlich Hüft- oder Ellbogenprobleme entwickeln. Ein Maltipoo wird mit ziemlicher Sicherheit wegen persistierender Milcheckzähne medizinische Unterstützung beim Zahnwechsel benötigen. Cockapoos müssen wahrscheinlich Glück haben, damit sie nicht unter häufigen Ohrentzündungen leiden. Aber da ist nichts, was man als Qualzuchtmerkmal bezeichnen könnte, und das ist allemal mehr, als man von vielen Rassehunden behaupten kann. Eine wichtige Ausnahme gibt es allerdings: Wird wie beim (nach unseren Erfahrungen sehr seltenen) Cavapoo / Capoodle eine der am schlimmsten unter Qualzuchtmerkmalen leidenden Rassen als Kreuzungspartner für den Pudel ausgewählt, muss man sich natürlich nicht wundern, wenn das eventuell so richtig und leidvoll in die Hose geht.
Was ist mit der Verhaltensgesundheit? Da fällt unsere Bilanz (natürlich von gelegentlichen Ausnahmen, die es immer und überall gibt, mal abgesehen) eigentlich ziemlich gut aus. In der Regel werden ja bei den Pudel-Hybriden Partnerrassen gewählt, die für ihr überdurchschnittlich gutartiges Verhalten bekannt sind.
Damit eng verknüpft ist dann die entscheidende Frage, sozusagen des Pudels Kern: Bekommen die Leute, die sich so einen Hund – meist für ein ordentliches Sümmchen – anschaffen, das, was sie sich erwartet haben? Werden Pudel-Hybrid-Besitzer im weiteren Zeitverlauf glücklich mit ihrer Wahl? Nach unseren persönlichen und natürlich subjektiven Erfahrungen würden wir diese Frage ziemlich uneingeschränkt bejahen. Man kann das aber auch indirekt objektivieren: Suchen Sie mal einen Second-Hand-Doodle in Tierheimen oder über die einschlägigen Internet-Seiten! Sie werden schnell feststellen, dass da nicht viel zu holen ist, zumindest im Vergleich zum absoluten Überangebot an massiv verhaltensauffälligen „Herdis“ aus dem Auslandstierschutz und Listenhunden mit ihren Mischlingen. Pudel-Hybride werden also ausgesprochen selten wieder abgestoßen, was natürlich als stichhaltiges Indiz dafür zu werten ist, dass die Besitzer:innen offenbar langfristig glücklich mit diesen Hunden sind.
Unserer Meinung nach ist das nicht weiter verwunderlich. Der Mensch züchtet seit Tausenden von Jahren Hunde, ursprünglich um sie einem angedachten Verwendungszweck anzupassen. In den Zeiten vor der vereinsorganisierten Schönheits- und Pokal-Zucht lief das – vereinfacht ausgedrückt – ungefähr so: „Hm, ich hab da einen kleinen und energischen Rüden, der voll das Talent dafür hat, einen Fuchs aus dem Bau zu holen! Lasst uns mal ein bisschen rumfragen, ob irgend jemand in der Gegend vielleicht eine Hündin hat, die das auch kann!“ Und ruckizucki hatte man einen ganzen Wurf talentierter Bauhunde. Wie die aussahen, war dabei übrigens ziemlich egal. Und so lief das in allen Bereichen, vom Hütehund über den Saupacker bis hin zum Rattenkiller.
Nur: Gehen unsere Terrier noch in den Fuchsbau? Hütet der Border-Collie noch Schafe? Sucht der Lagotto im Wald nach Trüffeln? Läuft der Beagle in der Meute? In der Regel halt nicht! Die meisten „Hundeberufe“ spielen im heutigen Anforderungsprofil keine wirkliche Rolle mehr. Die ehemaligen Spezialisten gehen nur noch ihrem Zweitjob als Familienhunde, als „Pets“, als „Companion Dogs“ nach. Und wir als Halter:innen müssen uns (häufig ausgiebig!) damit beschäftigen, die Fähigkeiten und Eigenschaften, auf die sie mal selektiert wurden, irgendwie kompatibel zu bekommen zu unserer meist recht eintönigen Lebensweise und zu einer Gesellschaftsform, die jede Regelverletzung sofort sanktioniert. Der Gedankengang, dass das eigentlich nur die zweitbeste Lösung sein kann, ist nicht von der Hand zu weisen. Deutlich besser wäre ein breites Angebot von Hunden mit dem Hauptberuf des Familien-, Begleit- und Kumpelhundes, selektiert auf möglichst allzeit gutmütiges Verhalten und robuste Gesundheit, auf Leichtführigkeit, kurz auf „Anwenderfreundlichkeit“.
Unter dieser Prämisse sind die Pudel-Hybride in unseren Augen gar kein so dummer Ansatz. Diese Hunde sind in ihrer Mehrzahl tatsächlich ausgesprochen „easy going“, „user friendly“, also einfach „leicht zu haben“. Die Extrem-Eigenschaften der beteiligten Rassen werden durch den jeweiligen Partner ganz sinnvoll gepuffert bzw. verwässert: Die Fettleibigkeitsneigung des Labradors trifft auf die rassetypische Leichtbauweise des Pudels, die nicht immer ideale Hochintelligenz des Pudels wird durch den niedrigen IQ der Retriever abgeschwächt, damit der Hund nicht schlauer ist als sein Besitzer, und so weiter. Und was um alles in der Welt sollte dagegen sprechen, bei der Produktion von Familienhunden den in diesem Zusammenhang so charmanten Heterosiseffekt zu nutzen?
Wir müssen uns in diesem Zusammenhang mal befreien von den trommelfeuerartigen Propagandabemühungen der vereinsorganisierten Hundezucht, die uns weismachen möchte, dass jegliche Zucht außerhalb von FCI und VDH unter den verwerflichen Begriff der reinen „Vermehrung“ fallen würde. Das ist natürlich purer Bullshit! Vereinsorganisierte Schönheitszucht gibt es erst seit ungefähr 150 Jahren. Diese vergleichsweise kurze Zeit hat übrigens gereicht, um für die meisten Hunderassen einen immensen Schaden anzurichten. In den Tausenden von Jahren zuvor haben wir Menschen Hunde so gezüchtet, wie oben schon kurz beschrieben: Was will und brauche ich für einen Hund? Seh ich da einen, der zumindest teilweise die gewünschten Eigenschaften hat? Seh ich noch einen, dessen Eigenschaften zu meinem Ziel beitragen könnten? Okay, lasst uns die Beiden mal zusammenbringen! So und nicht anders, durch Selektion auf Eigenschaften, auf „form follows function“ und NICHT auf Optik, sind letztendlich die meisten Rassegruppen entstanden. So gut wie alle heute bekannten Rassen sind das Ergebnis von züchterischen Experimenten, nur dass früher mehr auf gut Glück gewürfelt werden musste, wo wir heute solide genetische Kenntnisse zur Anwendung bringen können. Deshalb wissen wir ja auch, dass der Heterosis-Effekt zuverlässig nur für die F1-Generation funktioniert.
Wir sehen einfach die Verwerflichkeit einer gezielten Verpaarung eines Rassehundes mit einem Vertreter einer anderen Rasse nicht, vor allem im Vergleich zu dem, was in der vereinsorganisierten und angeblich „seriösen“ Hundezucht oft genug passiert, nämlich die klassische Verpaarung Murks x Murks, Hauptsache reinrassig.
Wir sehen auch absolut keinen Unterschied zwischen einer Zuchtstätte von F1-Hybriden, die ihre Sache gut macht, und einem VDH-Züchter, der ebenfalls seine Sache gut macht, oder zwischen einem profitgeilen Doodle-Vermehrer und einem ebenso profitgeilen VDH-Fließband-Züchter. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Wir reden hier keineswegs irgendwelchen Puppy Mills das Wort! Nur: Puppy Mills gab es schon immer – schon lang, bevor es Doodles gab – und wird es immer geben, so lange es dem Verbraucher letztendlich scheißegal ist, woher sein Welpe stammt. Puppy Mills werden immer produzieren, was der Markt verlangt, ob nun Rasse- oder Hybridhunde. Wir sind uns also alle einig, dass Puppy Mills an sich so gut es geht bekämpft werden müssen, völlig unabhängig davon, was für Welpen sie auf den Markt werfen. Ansonsten kann man selbstverständlich auch außerhalb eines Vereins verantwortungsvoll Hunde (auch Doodles!) züchten.
„Designer-Rassen“ ist ein anderer und meist abwertend gemeinter Begriff, der bei der Diskussion von Hybridhunden gern verwendet wird. Wir fragen uns: So what? Warum sollten wir Menschen nicht hergehen, aus dem von den Zuchtvereinen propagierten und so verhängnisvollen Reinrassigkeits-Denken ausbrechen und uns Hunde mit Eigenschaften „designen“, die unseren legitimen Ansprüchen an Gesundheit und Haltungsfreundlichkeit möglichst ideal entsprechen? Hunde- bzw. Tierzucht an sich ist IMMER genetisches Engineering, völlig unabhängig von geschlossenen Zuchtbüchern. Unter diesem Ansatz wären auf jeden Fall mehr Hundehalter:innen happy mit ihrem Hund, und die Tierheime lang nicht so voll wie jetzt.
Alles in allem ist uns also aus unserer Sicht als Tierärzt:innen um Welten wohler mit (Ersthunde-)Besitzer:innen, die sich (vielleicht ein bisschen naiv und uninformiert und deshalb auch für ein bisschen zu viel Geld) einen Doodle kaufen, als mit denen, die sich in völliger Unbelehrbarkeit schon den dritten röchelnden Frenchie aus einer VDH-Zuchtstätte mit zig Tinnef-Pokalen in der Schrankwand holen, um ihn dann prompt wieder atmungsfähig operieren lassen zu müssen, oder mit denen, die (genau so naiv und uninformiert, dafür aber für kleines Geld) unbedingt einen vierjährigen Herdi-Mix-Straßenhund aus der hinteren Walachei „retten“ wollen, ohne dafür in Sachen Erfahrung, Grundwissen und Finanzen auch nur ansatzweise ausgerüstet zu sein.
Noch ein abschließender, warnender Hinweis: Ein öfter zu lesendes Verkaufsargument für Pudel-Hybride ist die Behauptung, dass diese Hunde „hypoallergen“, also besonders geeignet für Leute mit einer Hundeallergie wären. Das ist NICHT korrekt! Kaufen Sie auf dieser Grundlage bitte keinen Doodle, denn sonst landet er am Ende doch im Tierheim!
Ganz zuletzt: Ehre, wem Ehre gebührt! Dieser Artikel wurde inspiriert durch einen englischsprachigen Text aus der Tastatur einer erfahrenen amerikanischen Rassehund-Züchterin, die darin ebenfalls die Frage zum Ausdruck bringt: Doodles? Was ist das Problem?
(Bildquelle: Wikipedia / Gullpavon)
Bleiben Sie uns gewogen, bis bald,
Ihr Ralph Rückert, Ihre Johanne Bernick
© Kleintierpraxis Ralph Rückert, Römerstraße 71, 89077 Ulm
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