Tollwut-Impfung: Wirklich noch nötig? (Aktualisierung des Artikels von 2013)

Von Ralph Rückert, Tierarzt

Schon 2008 wurde Deutschland von der Weltgesundheitsorganisation WHO zum tollwutfreien Land erklärt. Ist es 7 Jahre später wirklich immer noch nötig, unsere Katzen und Hunde gegen Tollwut zu impfen?

Kurz gesagt: Eigentlich nicht! Sehen wir uns an, was die Ständige Impfkommission Vet dazu zu sagen hat (wer selber nachlesen möchte: Seite 20 der Impfempfehlungen):

„Vor diesem Hintergrund scheint eine flächendeckende Impfung der Hunde- und Katzenpopulation in Deutschland nicht mehr angemessen zu sein. Die Tollwut-Komponente sollte daher als Non-Core-Komponente eingestuft werden, und die Impfung (Grundimmunisierung und Wiederholungsimpfungen), wie in anderen Mitgliedsstaaten der EU mittlerweile üblich, sich auf Risikotiere und Tiere, die innergemeinschaftlich verbracht werden, beschränken. Folglich müssten nur Hunde und Katzen für den freien Verkehr innerhalb der EU regelmäßig gegen Tollwut geimpft und diese Impfung im Heimtierausweis dokumentiert werden.“

Die Ständige Impfkommission erläutert darüber hinaus auch, warum sie sich trotz dieser Einschätzung weiterhin gezwungen sieht, die Tollwut-Impfung als Core-Komponente beizubehalten:

„Geimpfte Tiere sind jedoch nach der derzeit gültigen Tollwutverordnung besser gestellt, da von ihrer Tötung nach einer Exposition mit einem an Tollwut erkrankten Tier unter bestimmten Umständen abgesehen werden kann, während nicht geimpfte Tiere auf jeden Fall getötet werden. Einzig aus diesem Grund wird Tollwut in den Impfempfehlungen noch als Core-Komponente weitergeführt.“

Eine Expositionsgefahr aber ist unter realistischen Gesichtspunkten nur noch durch illegal eingeführte Hunde gegeben, die wiederum andere Hunde infizieren könnten, bevor sie selbst erkennbar erkranken. Deshalb und weil fast alle Hunde im Rahmen von Urlaubsreisen am grenzüberschreitenden Verkehr teilnehmen, wird sich an der Notwendigkeit der Tollwut-Impfung bei Hunden vorläufig wenig ändern. Das gleiche gilt für die wenigen Katzen, die ebenfalls mit auf Reisen gehen.

Für die überwiegende Anzahl von Katzen und auch für Hunde, die im Inland bleiben, gibt es aber keine vernünftige Begründung mehr für eine flächendeckende und lebenslang aufzufrischende Tollwut-Impfung.

Nun wird (leider auch von einigen Kolleginnen und Kollegen) als Argument gegen einen Tollwut-Impfverzicht gern angeführt, dass Deutschland nur frei von der sogenannten terrestrischen Tollwut ist, aber nicht von der Fledermaus-Tollwut. Dazu einige Fakten: Von 1977 bis heute gab es in Europa 5 (in Worten: Fünf!) Fälle von Fledermaus-Tollwut beim Menschen, den letzten 2002 in Schottland und keinen einzigen in Deutschland. Für nicht beruflich mit Fledermäusen beschäftigte Menschen ist das Risiko, an Fledermaus-Tollwut durch Biss oder Kratzen zu erkranken, dementsprechend als vernachlässigbar gering einzustufen. Und auch das immer wieder beschworene Horror-Szenario mit der Katze, die sich beim Fangen von Fledermäusen ansteckt, ist Humbug. Es wurde in keinem einzigen Fall von einer Ansteckung von Fledermaus zu Hund oder Katze berichtet. Selbst in Tierversuchen gelang eine Ansteckung von Hunden und Katzen mit Fledermaus-Tollwut nur durch das Einbringen sehr hoher Virus-Dosen direkt in das zentrale Nervensystem. Kann man also getrost vergessen. Viel eher gewinnt man den Jackpot im Lotto als dass sich ein Hund oder eine Katze mit Fledermaus-Tollwut ansteckt und damit zur Gefahr für Menschen wird.

Fassen wir also zusammen:

-Für Hunde (und Katzen), die am grenzüberschreitenden Verkehr teilnehmen oder – nicht zu vergessen – auf Veranstaltungen (Turniere, Ausstellungen) oder auch in Tierpensionen gehen, ändert sich aufgrund der momentanen Gesetzeslage rein gar nichts. Es muss gegen Tollwut grundimmunisiert und in den vorgeschriebenen Intervallen nachgeimpft werden.

-Bei in jungen Jahren grundimmunisierten Hunden, die im Inland bleiben und die auch nicht zu Hundeveranstaltungen oder in Tierpensionen gehen, kann auf eine weitere Auffrischung der Tollwut-Impfung getrost verzichtet werden.

-Katzen, die zwar Freigänger sind, aber im Inland bleiben und nicht während der Urlaubszeit in Katzenpensionen untergebracht werden sollen, benötigen keine Tollwut-Impfung. Wer nicht mit einem geradezu mikroskopisch kleinen Restrisiko leben kann, hat immer noch die Option, eine junge Katze grundimmunisieren zu lassen, was dann für den Rest des Lebens ausreichen dürfte.

Wie Sie als Tierhalter das handhaben wollen, bleibt letztendlich Ihnen überlassen. Wir werden das Thema auf jeden Fall im Rahmen des Jahres-Checks ansprechen und Sie individuell beraten.

Bleiben Sie uns gewogen, bis bald, Ihr

Ralph Rückert

 

© Kleintierpraxis Ralph Rückert, Bei den Quellen 16, 89077 Ulm / Söflingen

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