Qualzucht Basset Hound

Qualzucht Basset Hound

Von Ralph Rückert, Tierarzt

Wenn wir uns hier gegen Qualzucht engagieren, wird uns manchmal vorgeworfen, dass wir uns zu sehr auf die brachycephalen (kurzköpfigen) Rassen konzentrieren und Qualzucht bei anderen Hunderassen ignorieren würden.

Das ist nicht der Fall! Als praktizierende Tierärzt:innen sehen wir letztendlich in unserem Alltag alles, was der Mensch mit seinem „besten Freund unter den Tieren“ in den letzten 100 Jahren angestellt hat. Unsere Konzentration auf die Brachycephalen liegt rein darin begründet, dass diese Hunde in Mode und dementsprechend extrem häufig sind und dass ständige Atemnot und eine völlig unzureichende Thermoregulation wirklich die qualvollsten Einschränkungen darstellen.

Wir wollen aber beileibe nicht unterschlagen, was in anderen Bereichen völlig aus dem Ruder gelaufen ist. Erst vor Kurzem haben wir ein entsprechendes Video zum Deutschen Schäferhund gezeigt. Schauen wir uns heute mal den Basset Hound an, eine Rasse, deren brutale Deformation durch völlig verantwortungslose Züchter:innen und Zuchtrichter:innen einem wirklich die Tränen der Wut und des Mitleids in die Augen treiben kann. Bei unseren Betrachtungen behalten wir bitte immer die dreiste Aussage der sogenannten „Gelben Initiative“ des VDH im Hinterkopf: „Kontrollierte Hundezucht ist keine Qualzucht!“

Das erste Foto ist ein Screenshot des Titelblatts des FCI-Standards Nr. 163 „Basset Hound“. Als naiver Laie würde man davon ausgehen, dass diese Illustration einen idealen Basset-Rüden zeigt, ein Hund auf einer Zuchtschau also um so eher auf dem Siegerpodest landet, je mehr er diesem Idealbild entspricht.

Das zweite Foto (Screenshot eines öffentlichen Facebook-Postings einer Züchterin) zeigt zwei Basset-Rüden, die sich gerade vor Kurzem auf einer FCI-Schau um einen der vorderen Plätze beworben haben. Klicken Sie jetzt ruhig ein paar Mal zwischen der Standard-Illustration und dem aktuellen Foto hin und her. Wir gehen aber davon aus, dass sie schon auf den ersten Blick die enormen Unterschiede sehen können. Dabei sollten Sie außerdem noch berücksichtigen, dass der Basset von der FCI in Gruppe 6, Sektion 1, also als „Laufhund“ eingeteilt wird.

Was fordert der FCI-Standard und wie passt das zu den beiden potentiellen Siegerhunden auf dem Foto? Gehen wir doch gleich mal zum offensichtlichsten Problem, der Bodenfreiheit, die ja für einen Laufhund nicht ganz unwesentlich ist.

Im Standard steht (in Fettdruck!):

„Es sollte einen ausreichenden Abstand zwischen dem niedrigsten Teil des Brustkorbes und des Bodens geben, damit der Jagdhund frei über alle Arten von Grund laufen kann.“

Von der Grammatik dieser deutschen Übersetzung des englischen Originals mal abgesehen, ist das auf jeden Fall eine sehr vernünftige Forderung, wie wir finden. Sie sehen aber sicher selbst, dass diese Forderung bei den beiden modernen Zuchtrüden nicht mal ansatzweise erfüllt ist und dass der Hund links sogar im Stand mit der Penisspitze auf dem Boden aufsetzt. Von der Seite nicht zu sehen, deswegen in einem anderen Screenshot (Foto 3, YouTube-Video von der Crufts 2017) dargestellt: Nicht nur die Penisspitze, sondern auch die extremen Pendelhoden haben so wenig Bodenabstand, dass sie bei halbwegs zügiger Fortbewegung in etwas rauerem Gelände permanent verletzungsgefährdet sind. Solche Rüden sind übrigens häufig zu keinem natürlichen Deckakt in der Lage, so dass mit künstlicher Insemination nachgeholfen werden muss.

Man könnte da jetzt noch seitenlang weitermachen, von der absurden Ohrlänge (Forderung des Standards: Allenfalls ein bisschen länger als der Fang!) über den extremen Faltenwurf an Vorder- und Hinterbeinen (Forderung des Standards: Keinesfalls übertrieben!) bis zum bei dieser Rasse immer vorliegenden Ektropium (nach außen gerolltes Unterlid, permanent quälend für den Hund, wird im Standard sicherheitshalber erst gar nicht erwähnt). Letztendlich ist auch der Basset (wie viele andere Rassen) ein Beispiel dafür, dass kontrollierte Hundezucht eben doch häufig Qualzucht ist, und zwar deshalb, weil die meist halbwegs vernünftig formulierten Rassestandards von verantwortungslosen Züchter:innen und Zuchtrichter:innen gleichermaßen zugunsten einer möglichst auf die Spitze getriebenen Übertypisierung einfach ignoriert werden.

Wie hat Frau Sarah Boyd, die Pressesprecherin des Clubs für Britische Hütehunde und Sprachrohr der „Gelben Initiative“, gerade in einem Video gesagt: „Rassehunde erfüllen einen Zweck, sie sind dafür gezüchtet, bestimmte Arbeiten zu erledigen…“ und „Das ist unser Hauptanliegen: Wir möchten keine kranken Tiere züchten! Wer möchte das schon?“. Die spielend leicht feststellbaren Unterschiede zwischen dem Zuchtstandard, der einen (gerade noch!) funktionellen Hund beschreibt, und den bemitleidenswerten Karikaturen, die heutzutage unter der Bezeichnung „Basset Hound“ mühsam und triefäugig durch die Showringe schwabbeln und für die sich kein Mensch mehr irgendeine Arbeits-Zweckerfüllung vorstellen kann, führen diese geradezu widerwärtig scheinheiligen Einlassungen wieder einmal perfekt ad absurdum!

Abschließend noch eine persönliche Anekdote: Vor 12 Jahren sind wir mit unserem damals noch jungen Terrier Nogger zwei Bassets begegnet. Die drei Hunde fanden sich spontan sympathisch, und nach kurzer Kontaktaufnahme (Foto 4, man beachte das oben erwähnte Ektropium bei beiden Bassets) fing Nogger mit dem typischen, zum Laufspiel auffordernden Gerenne an. Die Reaktion der Bassets hat uns damals sehr beeindruckt: Sie wollten definitiv mitmachen, hoppelten auch immer für zwei, drei Schritte los, wenn Nogger vorbei zischte, blieben dann aber mit Resignation in den Augen wieder stehen. Das waren erwachsene und schon lebenserfahrene Hunde, und sie wussten ganz genau, dass sie (die angeblichen „Laufhunde“) einfach nicht mitspielen konnten. Wir fanden das zutiefst bitter und traurig!

Bleiben Sie uns gewogen, Ihr

Ralph Rückert

© Kleintierpraxis Ralph Rückert, Römerstraße 71, 89077 Ulm

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