Puppy Yoga: Finger weg!

Von Ralph Rückert, Tierarzt

Das ist jetzt irgendwie schwierig: Ich gehe davon aus, dass meine Blogartikel fast ausschließlich von Tierbesitzer:innen gelesen werden, die natürlich nie auf so einen offensichtlich tierschutzwidrigen Lifestyle-Trend reinfallen würden. Da renne ich also mit Anlauf offene Türen ein. Deshalb würde ich ganz gegen meine sonstigen Gewohnheiten um lebhaftes Teilen dieses Textes bitten, damit er sich auch zu Personen verbreitet, die nicht die Sachkunde haben, um zu erkennen, dass sie da auf was reinfallen, was einfach nicht in Ordnung ist. Vielen Dank im voraus!

Irgendwann Anfang 2024 habe ich das erste Mal von Puppy Yoga gehört und schon Luft geholt und meine Finger gelockert, um mich dazu in der erforderlichen Schärfe zu äußern. Dann kamen mir dankenswerterweise verschiedene offizielle Stellen zuvor und haben sich eindeutig gegen diesen in meinen Augen typisch neodämlichen Trend positioniert. Also dachte ich, dass der Drops gelutscht wäre. Nun muss ich durch einen Artikel in einer unserer Fachzeitschriften (VETimpulse, 34. Jahrgang, Ausgabe 2, Februar 25) schockiert erfahren, dass dieser offensichtliche Quark immer noch lustig weiter angeboten wird. Da die VETimpulse natürlich nur in Fachkreisen gelesen wird, füge ich da mal meine Stimme dem Chor der Ablehnung hinzu.

Also, was ist Puppy Yoga? In aller Kürze: Eine Yoga-Stunde, bei der die ganze Zeit von den Veranstaltern sozusagen gemietete Hundewelpen (in der Regel ein Wurf einer Zuchtstätte) anwesend sind und sich da am Veranstaltungsort frei zwischen den Teilnehmer:innen bewegen. Die Stunde wird gern aufgeteilt in zum Beispiel 40 Minuten Yoga und 20 Minuten Beschäftigung mit den Welpen, gern beschrieben als „Kuscheln, Spielen und Fotografieren“. Ich kann mir gut vorstellen, dass dieses Konzept für Leute, die keine Ahnung von Hunden haben, sie aber mögen, als durchaus attraktiv, herzig und süß rüberkommt. Wie VETimpulse schreibt: „Auf den ersten Blick erscheint es wie eine Win-Win-Situation. Die Welpen erfreuen die Besucher, die Besucher sozialisieren die Welpen. Doch der Schein trügt.“

Ja, der Schein trügt! Ein derartige Instrumentalisierung von in diesem Alter sehr vulnerablen Welpen für kommerzielle Lifestyle-Zwecke, die eigentlich keiner braucht, ist nicht nur nach meiner Meinung einfach tierschutzwidrig. Auf den gleichen Standpunkt stellen sich auch die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz, der Deutsche Tierschutzbund, der zuständige Fachbereich der Ludwig-Maximilian-Universität München, das Veterinäramt Stuttgart und andere, das Schweizerische Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen BLV, der britische Tierschutzverein RSPCA und – last but not least – die italienische Regierung, die solche Veranstaltungen einfach pauschal untersagt hat.

Ich will hier jetzt gar nicht im Einzelnen auf die verhaltenskundlichen Gründe für eine strikte Ablehnung solcher (außer für den Geldbeutel der Veranstalter) nutzlosen Lifestyle-Events eingehen. Diese ethologischen Einwände werden in den verlinkten Stellungnahmen gründlich und für jede und jeden zugänglich erläutert.

Mir geht es um einen anderen und meiner Meinung nach ganz entscheidenden Punkt: Man könnte als zuständiges Veterinäramt solche Veranstaltungen eigentlich nur dann genehmigen, wenn man über die Mittel verfügen würde, die strikte Einhaltung einer korrekten und möglichst unschädlichen Durchführung durch den Einsatz von Undercover-Personal zu kontrollieren und zu gewährleisten. Da dieser Gedanke von vornherein illusorisch ist, sind Puppy-Yoga-Veranstaltungen in meinen Augen einfach nicht genehmigungsfähig! Das Missbrauchspotential ist viel zu hoch! Dieser Gedankengang wird bestätigt durch Undercover-Recherchen, die der britische Sender ITV (Channel 3) angestellt hat und die klar aufzeigen, dass bei solchen Events in der realen Welt eben doch ganz klare Tierschutzverletzungen vorkommen, von viel zu jungen Welpen über häufige Störungen schlafender Tiere bis hin zum verwehrten Zugang zu Wasser bei sehr hohen Raumtemperaturen, weil die Welpen bei ausreichendem Trinken ja zu oft pinkeln müssten.

Wie immer gilt: Es macht keinen Sinn, irgendwelche Regularien aufzustellen, wenn man ihre Einhaltung hinterher gar nicht kontrollieren kann. Zudem bedeuten Regularien automatisch auch eine Art Anerkennung solcher Aktivitäten, in dem Sinne „wenn ihr die Regeln x, y, z einhaltet, dann ist das, was ihr da tut, okay“. Es wird aber selbst unter Einhaltung beliebiger Regeln nie okay sein, weil für die Welpen – und nur um diese geht es – absolut keine Vorteile, sondern nur potenzielle Nachteile erkennbar sind. Wie das Schweizerische BLV in seiner Fachinformation ausführt: „Die Risiken für die Gesundheit und das Wohlergehen der Welpen müssen höher gewichtet werden als ein allfälliger Nutzen für die Teilnehmenden, die Tierhaltenden oder die Veranstalterin. Welpen können auf vielseitige Art und Weise sozialisiert werden, ohne sie den weiter unten ausgeführten Risiken aussetzen zu müssen.“

Vorbild in dieser Sache sollte uns also Italien sein, das – wie schon erwähnt – Puppy-Yoga-Events einfach pauschal untersagt hat. Das ist in meinen Augen die einzig richtige Vorgehensweise. Ich kann meine Kolleginnen und Kollegen in den Veterinärämtern nur ermutigen, da komplett auf stur zu schalten. Sollen die Veranstalter doch deswegen Klage einreichen! Vor Gericht wird die Sachlage angesichts der vorliegenden fachlichen Stellungnahmen und Gutachten wohl ziemlich schnell geklärt sein.

Und an Sie, die potenziellen Verbraucher:innen, die Sie vielleicht dran denken, so eine schräge Veranstaltung zu buchen, kann ich nur appellieren: Bitte lassen Sie es! Das Ganze ist einfach nicht akzeptabel. Machen Sie sich nicht mitschuldig und sparen sich das Geld. Yoga ist eine feine Sache. Sie können auch ruhig „Doga“ machen, also Ihren eigenen Hund zuhause in ihre Übungen einbeziehen. Aber lassen Sie bitte Welpen raus aus der Sache!

Ein Gesichtspunkt noch, vor allem für uns Gewohnheits-Hundehalter:innen: Speziell im Umfeld von Großstädten, in denen man Anbieter von Puppy-Yoga finden kann, mag es Sinn machen, die Verwendung eines Welpen, den man sich in der Zuchtstätte schon ausgesucht hat, für solche Events abzufragen und gegebenenfalls zu untersagen. Ich wäre jedenfalls absolut nicht begeistert, wenn ein für mich reservierter Welpe noch schnell für sowas missbraucht wird, kurz bevor ich ihn dann bekomme.

Die Links:

Stellungnahme der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz TVT:

https://www.tierschutz-tvt.de/alle-merkblaetter-und-stellungnahmen/?no_cache=1&download=Stellungnahme_PuppyYoga.pdf&did=409

Stellungnahme des Instituts für Verhaltenskunde an der LMU München:

https://www.tierhyg.vetmed.uni-muenchen.de/aktuelles/nachrichten/hundewelpen-veranstaltungen/index.html

Fachinformation Tierschutz des Schweizerischen BLV:

https://www.blv.admin.ch/dam/blv/de/dokumente/tiere/heim-und-wildtierhaltung/fachinformation_puppy_yoga.pdf.download.pdf/D%20Fachinformation%20Nr.%201.5%20(1)%20Puppy%20Yoga%20und%20%C3%A4hnliche%20Veranstaltungen%20mit%20Hundewelpen%20-%20Beurteilung%20der%20Tierschutzrelevanz,%20April%202024.pdf

Der Spiegel über das Verbot von Puppy Yoga in Italien:

https://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/puppy-yoga-italien-verbietet-yoga-mit-hundewelpen-a-229696d1-c484-4da6-b69c-f7e4256cea6a

Die Undercover-Recherche von ITV (englisch):

https://www.itv.com/news/2023-07-03/is-puppy-yoga-ethical-the-dark-side-of-a-growing-wellness-trend

Bleiben Sie mir gewogen, bis bald, Ihr

Ralph Rückert

© Ralph Rückert

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