Von Ralph Rückert, Tierarzt
Als ich vor zwei Wochen auf der Praxis-Facebook-Seite unseren Nordsee-Urlaub ankündigte, gab es auch ein, zwei negative Kommentare bezüglich der Eignung der Küste für den Urlaub mit Hund. Das hat mich irgendwie dazu gebracht, auf diesen Gesichtspunkt mehr zu achten als sonst.
Mehr als sonst? Ja, ich muss zugeben, dass ich gedanklich oft zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt, also auf gut Deutsch zu zerstreut bin, um jede irgendwo aufgestellte Tafel darauf abzuklopfen, was ich bzw. mein Hund mal wieder alles NICHT darf. In diesem Urlaub habe ich mich aber ernsthaft bemüht, die Augen offen zu halten, und ich muss zugeben: Es meint tatsächlich so gut wie jeder, einem irgendwelche mehr oder weniger sinnvolle Vorschriften machen zu müssen, ohne aber deshalb von dem eifrigen Bemühen abzulassen, an das Geld des hundebesitzenden Touristen zu kommen.
Was darf der Hund denn nun an der Nordseeküste? Das ist mit einem Wort zu beantworten: Nichts! Er darf nichts, außer ständig an der kurzen Leine geführt zu werden, und selbst unter diesen Voraussetzungen darf er keineswegs überall hin. Büsums Tourismus-Marketing-Experten teilen dem verblüfften Hundehalter zum Beispiel in bemerkenswert tatsachenverzerrendem „Neusprech“ mit, dass man sich über Hunde an der kurzen Leine auf der Deichkronenpromenade „freue“, sie aber auf der unteren Strandpromenade und im Wasser bzw. im Watt nichts zu suchen hätten. Selbst an den beiden Büsumer Hundestränden herrscht (natürlich!) strikter Leinenzwang!
Nun repräsentiert Büsum mit seinem strandkorbübersäten und hochhausverschandelten Grasstrand sowieso nicht mal annähernd das, was wir uns unter einem Urlaub am Meer so einbilden. Sankt Peter-Ording oder die Insel Amrum mit ihren riesigen vorgelagerten Sandbänken, die stundenlange Strandspaziergänge möglich machen, entsprechen da schon viel eher unseren Vorstellungen, auch und gerade als Hundebesitzer. Erfüllt sich vielleicht an diesen Orten der Traum vom glücklich durch Sand und Wellen tobenden Hund?
Nein, eigentlich nicht! Das grundsätzliche Problem besteht darin, dass man sich an der Nordseeküste von Schleswig-Holstein automatisch im Nationalpark Wattenmeer befindet, und in dem herrscht pauschal Leinenzwang, und zwar mit Ausrufezeichen! Damit hat es sich mit unbeschwerten Strandwanderungen und Freilauf für den Hund. Und auf dem Deich? Die Deiche gehören schließlich nicht zum Nationalpark. Nein, nichts zu machen, mancherorts noch nicht mal an der Leine, denn der Anblick von Hunden könnte die Deichschafe so beunruhigen, dass denen der Appetit vergeht. Dann verkrautet der Deich, was bei einer Sturmflut zu einem Deichbruch und damit zum Untergang Schleswig-Holsteins führen könnte. Für uns Touristen aus den südlichen Bundesländern, in denen es in freier Natur fast nie eine Leinenpflicht gibt, ist das alles nicht leicht zu schlucken, wenn nicht sogar ein echtes K.O.-Kriterium.
Mit der Einrichtung von „Hundestränden“ versuchen viele Nordsee-Urlaubsgegenden (auch Sankt Peter-Ording und Amrum) beim oberflächlichen Leser der Hochglanz-Broschüren und -Websites die Illusion zu erzeugen, dass wenigstens an diesen (in der Regel weit abgelegenen) Strandabschnitten mal ein Ballspiel in der Brandung oder ein wenig Freilauf mit Artgenossen-Kontakten möglich wäre. Weit gefehlt, denn auch an diesen „Hundestränden“ herrscht (natürlich zum Schutz von Kindern, anderen Besuchern und Allergikern (!)) ausdrücklich Leinenzwang. Sankt Peter-Ording tut sich auf seiner offiziellen Website besonders hervor mit dem guten Gewissens als verblödet zu bezeichnenden Motto „Erst gurten, dann spurten“ (im Original fehlt auch noch das Komma).
Wenn auch mit zusammengebissenen Zähnen, muss man doch lobend erwähnen, dass Sankt Peter-Ording seit 2016 „als besonderes Entgegenkommen für Besucher mit Hund“ und „im Einverständnis mit dem Nationalpark als Pilotprojekt“ zwei Freilaufzonen eingerichtet hat, in denen tatsächlich mal keine Leinenpflicht herrscht.
Warum mit zusammengebissenen Zähnen? Weil die scheinheilige Naturschutzargumentation für den eigenständig denkenden Hundebesitzer einfach nicht nachvollziehbar ist, speziell in Sankt Peter-Ording, aber auch auf Amrum. Die Strände bestehen an beiden Orten aus jeweils etwa 10 Quadratkilometer umfassenden Sandbänken (sogenannten Hochsänden), die so weitläufig und bretteben sind, dass man andere Menschen aus zwei und einen vergessenen Fußball schon aus einem Kilometer Entfernung liegen sieht. Wohl gemerkt, wir reden nicht über die Dünen und auch nicht über die Salzwiesen, die sich zwischen diesen riesigen Stränden und dem Hinterland befinden. Das sind Vogelparadiese, in denen während des Sommers unablässig und in großer Zahl gebrütet und Brutpflege betrieben wird. Da hat kein Mensch und auch kein Hund was zu suchen! Warum aber auf diesen extrem weitläufigen Sandbänken pauschaler Leinenzwang herrscht, erschließt sich mir einfach nicht, zumal man sich bei der sonstigen touristischen Nutzung keine großen Zwänge auferlegt: Da brettern Wind- und Kite-Surfer mit höchstem Tempo übers Wasser und Strandsegler noch schneller über den Sand. Bei Wettbewerben in diesen Sportarten sind ganze Strandabschnitte schwarz von Menschen, die die Strandrestaurants versorgenden Lastwagen fahren diese ganz dicht an den Dünen (Brutflächen!) entlang an, und bei Flut tuckern einem die Krabbenkutter fast über die Füße!
Das alles scheint für die so schützenswerte Nationalpark-Fauna und -Flora nicht so problematisch zu sein wie ein freilaufender Hund, der auf diesen Sandbänken allenfalls mal eine Gruppe gelangweilt rumhockender Möwen aufscheuchen kann. Sonst ist da – außer vielleicht Wattwürmern und toten Quallen und Krebsen – einfach nichts, was der Hund gefährden könnte. Ich habe es nicht selbst gesehen, aber ab und zu sollen sich da auch mal ein paar Robben oder Seehunde rumtreiben. Und wenn? Gibt es verlässliche Zahlen, wie viele Kegelrobben (immerhin Deutschlands größtes Raubtier!) oder Seehunde schon von marodierenden Touristenhunden gewürgt wurden? Ich unterstelle mal irgendwas in der Nähe von Null.
Jetzt kommt der einzige positive Punkt für uns Hundebesitzer, und deshalb sind wir nach drei Jahren auch wieder nach Sankt Peter-Ording gefahren. Ob nun (aus touristisch nachvollziehbaren Gründen) einfach ein Auge fest zugedrückt wird oder ob dafür einfach zu wenig Personal vorhanden ist: Der pauschale Leinenzwang wird nach unserer Erfahrung nicht wirklich durchgedrückt. Speziell auf den Sandbänken lassen viele Besitzer ihre Hunde frei laufen. Wir haben das auch getan, und Nogger hatte entsprechend seinen Spaß. Einen Nationalpark-Ranger oder irgendeine vergleichbare Art von Hilfssheriff haben wir weder das letzte noch dieses Mal zu Gesicht bekommen. Wir sind uns auch absolut sicher, dass unser Hund dem Tierbestand des Nationalparkes nicht den geringsten Schaden zugefügt hat. Was wir auf unseren kilometerlangen Strandspaziergängen übrigens auch nicht gesehen haben, waren irgendwelche Kothaufen. Die Hundebesitzer scheinen sich in dieser Hinsicht geradezu vorbildlich zu verhalten.
Nichtsdestotrotz wird man durch die bestehenden Regelungen und die Androhung empfindlicher Strafen von vornherein ins Unrecht gesetzt, was zu einer gewissen Verunsicherung und Grundnervosität führt, die einen dazu bringt, sich immer wieder über die Schulter umzusehen, ob nicht doch schon das strenge Auge des Gesetzes auf dem gewissenlosen Umwelt- und Nationalpark-Frevler mit seiner wildtiermordenden Töle ruht. Ein Gefühl, das man eigentlich nicht braucht, schon gar nicht im Urlaub. Wenn es da nicht schnell zu einem Umdenken mit Augenmaß kommt, speziell in Bereichen wie den sowieso touristisch hochintensiv genutzten Sandstränden von Sankt Peter-Ording, ist mein Daumen bezüglich eines Nordsee-Urlaubs mit Hund tatsächlich unten. Außer man hat einen Hund, der auch daheim immer an der Leine bleiben muss. Dann spielt das alles sowieso keine Rolle.
Als launiger Abschluss: Mit jedem Schild, das mich erneut streng ermahnte, meinen Hund an die kurze Leine zu nehmen, oder mir gar ganz den Zutritt irgendwohin verwehrte, nahm meine Gereiztheit immer noch ein wenig zu. Und dann setzt die Speisekarte der lokalen Niederlassung von Gosch – Sylt (eine recht gelungen auf schick machende Fisch- und Meeresfrüchte-Schnellrestaurant-Kette) dem ganzen die Krone auf, indem sie mir mitteilt, dass das Füttern des Hundes vom Tisch „aus hygienischen Gründen und aus Respekt vor dem Essen“ zu unterlassen sei. Echt jetzt? Die wollen mir ernsthaft vorschreiben, was ich mit dem Essen mache, das ich bezahlt habe? Und von welchen hygienischen Gründen faseln die da? Spülen die ihr Geschirr nicht? Hat mich natürlich nicht die Bohne interessiert. Nogger hat wie immer seinen Anteil abbekommen, sowohl vom Lachs als auch von den Flusskrebsen. Und seit ich diesen aufschlussreichen Artikel von Benjamin von Stuckrad-Barre über den in Ihrem Unternehmen üblichen Umgang mit Nahrungsmitteln gelesen habe, möchte ich von Ihnen, Herr Gosch, auch keine Belehrungen über Hygiene und Respekt vor dem Essen hören, okay?
Bleiben Sie uns gewogen, bis bald, Ihr
Ralph Rückert
© Kleintierpraxis Ralph Rückert, Römerstraße 71, 89077 Ulm
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