Von Ralph Rückert, Tierarzt
Nach den grundsätzlichen Überlegungen der vorausgehenden beiden Artikel müssen wir nun irgendwie den Sprung zur täglichen Praxis der Hundeernährung schaffen. Wie können wir unseren Hund vernünftig und gesund ernähren, damit es ihm an nichts fehlt?
Wie kann man als Laie überhaupt feststellen, ob ein Hund richtig ernährt wird? Das ist relativ einfach: Ein Hund, dem es an nichts fehlt, hat ein schönes, rassetypisches und geschlossenes Haarkleid und darunter eine gesunde Haut, hat Normalgewicht, ist seinem Alter und Trainingszustand entsprechend leistungsfähig, setzt, von Ausnahmen abgesehen, ein bis drei Mal täglich trockenen, festen Kot ab und frisst, von Ausnahmen abgesehen, seine Ration mit gutem Appetit.
Gehen wir mal die Möglichkeiten durch, von schwierig zu einfach:
BARF:
Hierbei handelt es sich um eine Fütterung mit rohem Fleisch, Knochen und Gemüse / Früchten / Beeren. Das Akronym „BARF“ bedeutete historisch gesehen zuerst „Born-Again Raw Feeders“, steht inzwischen im Englischen aber für „Bones And Raw Food“ oder „Biologically Appropriate Raw Food“ und im Deutschen für „Biologisches Artgerechtes Rohes Futter“. Zur BARF-Ernährung gibt es ein griffiges Statement von mir: Kann man machen, vorausgesetzt, man weiß, was man tut! Wer seinen Hund so ernähren will, der muss sich sehr intensiv mit der Thematik vertraut machen, sonst kann man fast garantieren, dass es langfristig zu Problemen kommen wird. Es bleiben allerdings aus Sicht von Tiermedizinern auch bei der Durchführung durch sachkundige Personen immer ein paar Fragezeichen. Fehl- und Mangelernährung ist beim Barfen so häufig, dass einige Labors inzwischen extra Blutuntersuchungen für BARF-Hunde anbieten, um Mangelzustände aufzudecken. Zahnschäden und schwere Verstopfungen durch die Aufnahme von zu viel oder ungeeigneten Knochen werden häufig beobachtet. Das Fressen von Rinderschlund mit anhängenden Resten der Schilddrüse führt bei BARF-Hunden zu Schilddrüsenerkrankungen. Und last, but not least: Hunde erkranken eher nicht an Infektionen aus rohem Fleisch wie Salmonellose, scheiden die Erreger aber eventuell über längere Zeiträume aus, was eine gewisse Gefahr für die Menschen in der Umgebung des Tieres darstellen kann. Meiner persönlichen Meinung nach steht die Begründung des BARF-Konzepts insgesamt auf wackligen Füßen, da es sich an der Ernährung von Wölfen und anderen Wildcaniden orientiert, und von denen hat sich der Haushund inzwischen genetisch meilenweit entfernt. Eines kann ich Ihnen allerdings versprechen: Ihr Hund freut sich höchstwahrscheinlich über diese Art der Fütterung. Rohfleisch zerkleinern und die beigegebenen Knochen benagen, das macht für einen Hund schon ordentlich was her.
Selber kochen:
Im Prinzip gilt das gleiche wie für das BARFen: Man muss sich auskennen, sonst geht es langfristig schief. Nur irgendein Fleisch braten oder kochen und Kartoffeln, Reis, Nudeln oder Gemüse dazugeben – klappt nicht! Wie bei allen selbst produzierten Rationen ist das häufigste Problem ein unausgeglichener Calcium-Phosphor-Gehalt. Diesen kann man auch nicht nur so über den Daumen mit kalkhaltigen Zusätzen korrigieren, das muss genau berechnet werden, und dazu bedarf es schon gewisser Kenntnisse. Was natürlich nicht heißen soll, dass man dem Hund nicht mal so eine Ration geben könnte, wenn es sich gerade anbietet. Wie schon erwähnt: Nicht jede Mahlzeit muss perfekt ausgewogen sein.
Die Fütterung mit selbst zubereitetem Futter (roh oder gekocht) ist in Deutschland statistisch gesehen eher exotisch, da nur acht Prozent der Hunde so ernährt werden. Für diejenigen unter Ihnen, die sich in die Thematik einlesen wollen, gibt es für den Anfang nur einen Tipp, die Bibel der Hundeernährung: „Ernährung des Hundes: Grundlagen – Fütterung – Diätetik“ von Helmut Meyer und Jürgen Zentek. Aber seien Sie gewarnt: Das ist ein richtiges Fachbuch, also sehr trocken und mühsam zu lesen.
Fertigfutter (Alleinfuttermittel):
Ein als Alleinfuttermittel deklariertes Fertigfutter, sei es trocken oder aus der Dose, muss gesetzlich geregelt dazu geeignet sein, ein Tier über längere Zeiträume bedarfsgerecht zu ernähren. Grundsätzlich sind Sie als Hundebesitzer ernährungsphysiologisch auf der sicheren Seite, wenn Sie Ihr Tier hauptsächlich mit einem oder mehreren Alleinfuttermitteln versorgen. Ihr Hund bekommt alles, was er braucht, und Sie müssen sich keine Gedanken machen. Es gibt klare Untersuchungsergebnisse, die zeigen, dass Fehl- und Mangelernährung bei mit Fertigfutter ernährten Hunden deutlich seltener vorkommen als bei Hunden, die mit selbst zubereiteten Rationen gefüttert werden. Auch ziehen Zuchthündinnen, die mit Fertigfutter ernährt werden, mehr lebende Welpen auf.
Einwände gegen Industriefutter gibt es natürlich mehr als genug. Dazu könnte ich mir die Finger wund schreiben, was aber völlig unnötig ist. Die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz (TVT), deren Mitglied ich bin und die ganz sicher nicht von der Futtermittelindustrie unterwandert ist, hat ein sehr umfassendes Merkblatt zum Thema Fertigfutter verfasst, das nicht viele Fragen offen lässt und das ich als wichtigen Bestandteil meines Artikels sehe.
Merkblatt der TVT „Zum Einsatz von Alleinfuttermitteln bei Hunden und Katzen“
Wer von Ihnen Bücher wie „Schwarzbuch Tierarzt“ oder „Der Jahrtausend-Irrtum der Veterinärmedizin“ gelesen hat und den darin vertretenen Meinungen (überspitzt: Industriefutter ist an jeder denkbaren Krankheit schuld) zustimmt, sollte sich bitte nicht aufregen, sondern einfach selber tätig werden, was ja auch mit entsprechendem Aufwand gut möglich ist. Als wissenschaftlich geschulter Tierarzt kann ich solchen, in meinen Augen paranoiden Thesen nichts abgewinnen. Hinter dieser meiner Einstellung stehe ich auch insofern, als meine Hunde immer schon zum größten Teil mit Fertigfutter ernährt wurden. Ich bin nun seit über 25 Jahren in diesem Beruf tätig. In dieser Zeit hat sich die Lebenserwartung von Hunden und Katzen stetig verbessert. Dass mit dem Älterwerden auch eine Zunahme altersbedingter Erkrankungen wie Arthrose, Krebs und Herz-Kreislauf-Insuffizienz zu verzeichnen ist, wird wohl niemand verwundern. Es wäre schön, wenn wir und unsere Tiere durch irgendein zauberhaftes Ernährungskonzept gesund und ewig leben könnten, aber der Gedanke ist halt leider unrealistisch.
Was viele Leute (auch mich) in letzter Zeit umtreibt, ist die Frage nach dem ökologischen Fußabdruck ihres Hundes. Als vorwiegender Fleischfresser hat er da ja sowieso schlechte Karten. Was kann man tun, um sich unter diesem Aspekt korrekt zu verhalten? Ich denke, es ist schon gerechtfertigt, sich ein wenig Gedanken über die Herkunft von Futtermitteln oder Futterbestandteilen und den damit verbundenen Transportwegen zu machen. Sie können durchaus hier in Deutschland Futter kaufen, das in einer Fabrik in Kanada mit Grundstoffen aus China und Australien hergestellt und dann zu uns gekarrt wurde. Das ist in meinen Augen ein wenig unbefriedigend. Es gibt aber inzwischen eine zunehmende Anzahl von regionalen Futtermittelherstellern, die dem Kunden verschiedene Versprechen bezüglich der Herkunft der eingesetzten Grundstoffe machen. Man kann sich also durchaus von den Produkten der gewaltigen multinationalen Nahrungsmittelkonzerne lösen und beispielsweise ein Bio-Futter aus regionaler Produktion verwenden. Auch wieder eine ganz persönliche Entscheidung. Ihrem Hund ist das natürlich alles schnurz.
Apropos Fleischfresser mit schlechter Umweltbilanz: Ja, man kann Hunde vegetarisch ernähren, aber das sind dann die höheren Weihen der Ernährungswissenschaft. Da müssen Sie sich wirklich sehr gut belesen haben und auskennen oder Sie benötigen die (durchaus angebotene) Hilfe beispielsweise des Lehrstuhls Tierernährung der Uni München. Von Experimenten kann ich in diesem Zusammenhang nur abraten. Die würden voll auf Kosten Ihres Hundes gehen.
Wird fortgesetzt!
Bleiben Sie uns gewogen, bis bald, Ihr
Ralph Rückert
©Ralph Rückert