Hundefutter (Teil 1): Wer ist mein Hund und woher kommt er?

Von Ralph Rückert, Tierarzt

Letzte Woche haben wir Sie nach Themen gefragt, über die Sie gerne etwas lesen würden. Innerhalb von Sekunden kam der Vorschlag, mal etwas über Hundefutter zu schreiben. Da klatscht man sich als Blog-Autor natürlich vor die Stirn und fragt sich, wie man nur dieses schöne Thema bisher übersehen konnte.

Vielleicht war dieses Übersehen aber auch eine Art von freudscher Fehlleistung, denn mit diesem Thema betrete ich vermintes Gebiet. Nichts wird auf Hundeplätzen, bei Spaziergängen und nicht zuletzt auch im Internet mit mehr Eifer (und leider auch Fanatismus) diskutiert wie die korrekte Ernährung des Hundes. Man kann zu diesem Thema eigentlich nichts schreiben, ohne dass sofort jemand dagegen wäre. Das hat auch seinen guten Grund, denn auf endgültige Wahrheiten zu hoffen oder gar zu vertrauen, ist auf diesem Gebiet absolut nicht angebracht. Dementsprechend werden Sie hier auch keine einzige Empfehlung für ein bestimmtes Futtermittel einer bestimmten Firma zu lesen bekommen. Wir können nur versuchen, Ihnen mittels einer Serie von Artikeln zu diesem Thema bestimmte Gesichtspunkte nahe zu bringen, die Ihnen bei der Suche nach der für Ihren Hund passenden Ernährungsform hilfreich sein sollten.

Die Wissenschaft ist sich nach wie vor nicht einig, wie lange der Hund schon mit uns Menschen zusammen durch die Weltgeschichte zieht. Wir können aber guten Gewissens behaupten, dass es sich um Zehntausende von Jahren handeln muss. Diese lange Zeit der Koevolution hat nicht nur dazu geführt, dass zwischen den beiden Arten ein einzigartig inniges und instinktives Verständnis füreinander entstanden ist, sondern auch dazu, dass der Hund zusammen mit uns jede Klimazone der Erde besiedelt hat. Und so wie wir Menschen sind Hunde bezüglich ihrer Anforderungen an die Ernährung geradezu fantastisch anpassungsfähig. Ein Eskimo hat eine völlig andere Ernährungsweise als beispielsweise ein chinesischer Reisbauer oder ein afrikanischer Massai. Das gleiche gilt für ihre jeweiligen Hunde. Während ein Husky ohne hohe Mengen an Fischölen nur schwerlich zurecht kommen dürfte, kann ein Rhodesian Ridgeback als Steppen- und Wüstenhund mit allem, was aus dem Wasser kommt, rein gar nichts anfangen. Was also eine gute Hundenahrung ausmacht, kann auf gar keinen Fall beantwortet werden, ohne sich erst Mal Gedanken darüber zu machen, aus welcher Ecke der Welt ein bestimmter Hund genetisch stammt.

Darüber hinaus kann es durchaus eine Rolle spielen, für welchen Verwendungszweck eine bestimmte Hunderasse oder Rassegruppe ursprünglich mal gezüchtet wurde. Klassische Schoßhund-Rassen mussten wahrscheinlich immer schon vorwiegend mit Resten von Menschenmahlzeiten klarkommen. Ein wesentlicher Bestandteil der Ernährung von Jagdhunden waren über lange Zeiten Eingeweide und andere für Menschen unattraktive Bestandteile des erlegten Wilds. Retriever, im engeren Sinne also Wasservogel-Apportierer, können meist Geflügel gut vertragen. Hüte- und Herdenschutzhunde haben sicherlich vorwiegend Fleisch von genau den Tierarten bekommen, mit deren Kontrolle und Bewachung sie beschäftigt waren. Die Schlittenhunde der Polarregionen werden heute noch vorwiegend mit getrocknetem oder gefrorenem Fisch oder Robbenfleisch ernährt. Wach- und Hofhundrassen aus Mitteleuropa haben höchstwahrscheinlich eine relativ hohe Toleranz für höhere Anteile von Getreide und/oder Kartoffeln.

Diese Aufzählung ließe sich noch lange fortsetzen. Langer Rede kurzer Sinn: Schauen Sie sich Ihren Hund unter diesen Gesichtspunkten einmal an und fragen Sie sich, woher er im genetischen Sinne kommt und für welchen Zweck er ursprünglich gezüchtet wurde. Stellen Sie sich die Frage, wie diese Rasse wohl dort, wo sie herkommt, vor 50 oder 100 Jahren, also prä-Fressnapf, ernährt wurde, dann sind Sie schon ein gutes Stück weiter.

Nur als kleines Beispiel: Nogger, unser Patterdale Terrier, stammt aus dem Lake District im Nordwesten von England. Der Lake District ist eine sehr karge, bergige Gegend, in der die Menschen vor dem Aufkommen des Tourismus ihren Lebensunterhalt durch Bergbau und Schafzucht verdienten. Für Schafzüchter ist der Fuchs der Erbfeind, den sie mit allen Mitteln zu bekämpfen versuchen. Für die Fuchsjagd braucht man Terrier. Diese kleinen Hunde wurden auch früher schon eher im Haus als in einem Zwinger gehalten und mit Speiseresten und Schlachtabfällen ernährt. Was wird also so ein nordenglischer Terrier am ehesten vertragen? Wahrscheinlich Schaf, Pferd, Wild, Kartoffeln und Wurzelgemüse, und zwar gekocht. Wertvolles Huhn, Schwein oder Rind wird es wohl nicht so häufig gegeben haben. Getreideanbau ist im Lake District fast nicht möglich. Getreide wird dort also eher teuer und kein regelmäßiger Bestandteil der Hundeernährung gewesen sein.

Bei Mischlingen, immerhin die häufigste „Hunderasse“ in Deutschland, ist das natürlich nicht so einfach. Oft ist der Rassemix aber bekannt oder man kann den Hund aufgrund seines Erscheinungsbildes in eine Rassegruppe einteilen und daraus seine Schlüsse ziehen. Bei echtem alten Mischlingsadel bleibt allerdings nur Ausprobieren.

Liegen keine Allergien oder Unverträglichkeiten vor (darauf gehen wir noch gesondert ein), dann ist es ratsam, exotische Futterbestandteile erst mal außen vor zu lassen. Ein europäischer Hund hat nun mal mit Känguruh, Strauß, Maniok, Süßkartoffeln und Brotfrucht prinzipiell nichts am Hut. Das beiläufige Verfüttern solcher Futterbestandteile ohne gewichtigen Grund kann bedeuten, dass bei späterem Auftreten von Unverträglichkeiten keine Ausweichmöglichkeiten mehr vorhanden sind. Die Futtermittelindustrie möchte den Verbraucher gern glauben machen, dass solche Exotika vorbeugend gegen Futtermittel-Allergien und -Unverträglichkeiten wirken würden. Das ist nicht der Fall!

Wird fortgesetzt!

Bleiben Sie uns gewogen, bis bald, Ihr

Ralph Rückert

©Ralph Rückert

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