Von Ralph Rückert, Tierarzt
Nachdem die erste echte Hitzewelle jetzt da ist, vielleicht noch ein paar Gedanken zu den Gefahren dieser schönen Jahreszeit für unsere Haustiere. Wahrscheinlich langweile ich Sie damit (insbesondere meine Stammleser, die den Artikel schon vom letzten Jahr kennen), aber das muss ich wohl riskieren, denn wir haben seit der Praxiseröffnung vor über 25 Jahren jedes (!) Jahr Fälle erlebt, in denen Tiere genau diesen Gefahren, von denen die Rede sein soll, zum Opfer gefallen sind. Und wenn der Artikel ein oder zwei Tiere vor Schaden bewahrt, soll’s mir die Mühe wert sein, jedes Jahr wieder darauf hinzuweisen.
Im Sommer gibt es natürlich viele Insekten. Bienen, Wespen, Hummeln und Hornissen stechen häufig Hunde, manchmal aber auch Katzen. Grundsätzlich ist der Stich eines der genannten Insekten für einen Hund oder eine Katze nur dann wirklich lebensgefährlich, wenn er in den Mundraum erfolgt ist. Die resultierenden Schwellungen können die Atemwege verlegen, mit dementsprechend dramatischen Auswirkungen. Bei starken Gesichtsschwellungen (die aber auch andere Ursachen haben können) und erschwerter Atmung sollten Sie also nicht zögern, tiermedizinische Hilfe zu suchen. Am restlichen Körper ist ein solcher Stich für Hund und Katze zwar ähnlich unangenehm wie für uns und kann zu imposanten Schwellungen führen, Lebensgefahr besteht dabei aber in der Regel nicht. Es ist sinnvoll, bei entsprechendem Verdacht nach dem eventuell noch in der Haut des Tieres verbliebenen Stachel zu suchen und diesen mit einer Pinzette zu entfernen. Starke Schmerzen kann der Tierarzt mit einem einfachen Schmerzmittel erträglich machen, oft reicht aber schon ein wiederholtes Kühlen der Stichstelle aus.
Eindeutig lebensgefährlich dagegen ist Fliegenmaden-Befall für unsere Kaninchen. Speziell übergewichtige Kaninchen, die eventuell gar noch unter Zahnproblemen leiden, haben oft durch zu weichen Kot und die Unfähigkeit zur Reinigung dieser Körperbereiche verursachte Verschmutzungen der Anogenital-Region. Fliegen legen dort gerne Eier ab, aus denen wenig später Maden schlüpfen, die sich dann sehr schnell in die vorgeschädigte Haut und das darunter liegende Gewebe fressen. Dabei entstehen schreckliche Wunden, die bis in die Bauchhöhle reichen können. Eine Behandlung ist zwar gut möglich, aber nur dann, wenn das Problem frühzeitig erkannt wird. Kaninchen, die sich im Freien aufhalten, sollten deshalb täglich und sehr sorgfältig auf Madenbefall kontrolliert werden. Übergewichtige Exemplare und solche mit Durchfall und entprechenden Verschmutzungen sollten möglichst vollständig vor Fliegen geschützt werden.
Extrem selten kann es auch in länger bestehenden und eitrigen Wunden von Hund oder Katze zu Madenbefall kommen. Deshalb sollten offene Wunden im Sommer keinesfalls längerfristig unbehandelt bleiben.
Bei den von Insekten ausgehenden Gefahren sollen Zecken und Mücken nicht unerwähnt bleiben. Bestimmte Krankheiten, die früher mit Fug und Recht als Mittelmeer-Krankheiten bezeichnet wurden, dringen inzwischen immer weiter nach Norden vor und werden an Orten heimisch, an denen man sie nicht erwarten würde. Der von Mücken übertragene Herzwurm (Dirofilaria immitis) droht den Alpenhauptkamm bald zu überschreiten. Sein Verwandter Dirofilaria repens, der scheußliche Unterhautfadenwurm des Hundes (leider auch des Menschen) hat sich im österreichischen Burgenland bereits festgesetzt und hierzulande die östlichen Bundesländer erreicht. Auch verschiedene von Zecken übertragene Krankheiten haben sich inzwischen in Deutschland oder nur wenig südlich davon fest etabliert. Es ist deshalb von immer größerer Wichtigkeit, Hunde nicht nur auf Urlaubsreisen in südliche Gefilde, sondern auch hier zu Hause permanent gegen Zecken und Stechmücken zu schützen. Setzen Sie dabei nicht auf frei verkäufliche Präparate aus dem Zoohandel oder esoterischen Unfug wie den sogenannten Tic Clip, die laut Stiftung Warentest alle unwirksam sind.
Kommen wir zur offensichtlichsten Gefahr des Sommers, der Hitze. Wenn sie können, machen Tiere es sich einfach: Sie meiden Hitze. Bei Katzen, die ihren Aufenthaltsort und ihre Aktivität selbst bestimmen, müssen wir uns also keinerlei Gedanken machen. Bei Kaninchen sieht es schon ganz anders aus. Kaninchen haben so gut wie kein funktionierendes Temperaturausgleichssystem und begegnen in freier Wildbahn zu hohen Temperaturen durch Rückzug in ihre unterirdischen Gangsysteme. Für die empfindlichen Tiere können bereits von uns noch als angenehm empfundene Temperaturen von um die 25° C (im Schatten!) zu viel sein. Wenn es so warm wird, sollten Kaninchen an einen kühleren Ort verbracht werden, und wenn es der Keller ist. Wir haben jedes Jahr mehrere Hitzschläge bei Kaninchen zu behandeln. Nicht alle gehen gut aus! Bedenken Sie bitte diese hohe Hitzeempfindlichkeit, wenn an einem sehr warmen Tag ein Tierarztbesuch notwendig werden sollte: Immer vorher die Ohren mit kühlem Wasser benetzen und eventuell Kühlelemente in den Transportkäfig legen!
Auch Hunde haben meist nicht die Möglichkeit, über ihren Aufenthaltsort und ihre Aktivität frei zu entscheiden. Ein in Bezug auf seine Atemwege normaler und gesunder Hund hat auch mit sehr hohen Temperaturen kein besonderes Problem. Die Hunde der brachycephalen (kurzköpfigen) Rassen wie Mops, Französische und Englische Bulldogge, Pekingese und einige andere können dagegen durch ihre veränderten Atemwege bei Hitze in ernste Schwierigkeiten geraten. Bei einer Umfrage durch Professor Oechtering von der Uni Leipzig stellte sich heraus, dass ein Drittel der Hunde der befragten Halter schon einmal bei Hitze umgekippt war. Die Kurznasen sollten also im Hochsommer den großen Spaziergang am besten in den kühlen Morgenstunden absolvieren und sich ansonsten vor der Hitze zurückziehen. Das gilt logischerweise auch für sehr junge und sehr alte oder kranke Hunde.
Eine Sache, die wir Schuhträger oft gar nicht bedenken: Der Straßenbelag kann sich im Sommer sehr schnell auf Temperaturen von 60° C und mehr erhitzen. Das reicht dann locker für üble Pfotenverbrennungen, die wir auch jedes Jahr mehrfach sehen. Auch etwas niedrigere Belagstemperaturen können schon zum extrem schmerzhaften Abledern der Ballenhaut führen, wenn der Hund beim Joggen oder Fahrradfahren mit schwitzenden Pfoten längerfristig und kraftvoll darauf laufen muss. Ein einfacher Test: Wenn Sie Ihren fest auf die Straße gepressten Handrücken nicht mindestens für volle 5 Sekunden da lassen können ohne dass es wehtut, ist es für die Pfoten Ihres Hundes zu heiß. Da kann er zwar noch kurz drüber tänzeln, um ins Auto zu gelangen, aber längere Strecken auf Asphalt können dann definitiv nicht mehr zurückgelegt werden.
Vor ein paar Wochen hätte ich meinen letzten Punkt weggelassen, einfach aus der festen Überzeugung heraus, dass es sich mit Sicherheit inzwischen überall, wirklich überall herumgesprochen haben dürfte, dass ein geschlossenes Auto selbst bei ansonsten ganz angenehmen Sommertemperaturen zur tödlichen Falle werden kann. Seitdem ist wieder mal (wie jeden Sommer) irgendwo in Deutschland ein kleines Kind durch Zurücklassen im Auto gestorben. Und eine Klientin hat mir vor kurzem davon erzählt, dass sie vor einem Supermarkt einen um Hilfe bellenden Hund in einem überhitzten Auto bemerkt hatte, dessen Notlage sie dann glücklicherweise durch Ausrufenlassen der Autonummer im Markt beenden konnte. Die Besitzerin von Auto und Hund war aber offenbar keineswegs einsichtig, sondern eher ungehalten. Dabei ist es ganz einfach: Bei gerade mal 20° C im Schatten heizt sich der Innenraum eines grauen Autos, das in der Sonne steht, innerhalb von 60 Minuten auf 46° C auf. Da geht es einem eingeschlossenen Hund schon sehr schlecht, auch bei leicht geöffneten Fenstern. Bei immer noch ganz angenehmen 26° C Außentemperatur sind diese 42° C schon nach 30 Minuten erreicht. Bei Temperaturen über 30° C reicht es nicht mal zum schnell Zigaretten kaufen, bis es für den Hund kritisch wird.
In der Hoffnung, dass wir und unsere Tiere alle einen schönen und unbeschwerten Sommer erleben dürfen, Ihr
Ralph Rückert
© Kleintierpraxis Ralph Rückert, Bei den Quellen 16, 89077 Ulm / Söflingen
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