Von Ralph Rückert, Tierarzt
Diese Frage (siehe Bild) hat Clinician’s Brief, eine im englischen Sprachraum sehr bekannte tiermedizinische Fachseite, neulich ihren Leserinnen und Lesern gestellt und viele Antworten bekommen. So gut wie alle Kommentare bestätigen, dass solche Bitten bzw. Aufforderungen bezüglich einer Abänderung der Krankenakte eines Tieres zum Zwecke der Täuschung einer Tierkrankenversicherung ziemlich häufig vorkommen. Ich nehme mal an (ohne es belegen zu können), dass die Zahl solcher Vorkommnisse direkt proportional zum Anteil krankenversicherter Tiere in der jeweiligen Praxis oder Klinik sein dürfte.
Auch wir erleben das nicht selten. Die Tierbesitzer:innen, die mit solchen Ansinnen an uns herantreten, würde ich grob in drei Kategorien einteilen: Da gibt es die, die halt mal nachfragen, durchaus auch auf den Rat von Versicherungsvertretern oder -maklern, dann die, die es für eine Selbstverständlichkeit halten („Ich Kunde, ich König!“), dass man so „eine Kleinigkeit“ für sie erledigt, und zuletzt die, die da – zu unserer Verblüffung und in völliger Verkennung der Tatsachen – sehr massiv werden und nicht mal vor versuchter Nötigung und Erpressung zurückschrecken.
Allen gemeinsam ist die Vorstellung, dass so eine nachträgliche Änderung der Krankenakte ihres Tieres nur ein kleiner Gefallen wäre, also allenfalls ein Kavaliersdelikt. Nope, ist es nicht! Wir reden vielmehr von einer Fälschung der Falldokumentation und Versicherungsbetrug!
Mit denen, die einfach mal im fehlenden Bewusstsein dafür, was sie da verlangen, nachfragen, ob da was möglich ist, haben wir halbwegs Verständnis, aber bei denen, die meinen, diesbezüglich irgendwie fordernd werden zu können, ist sofort Schluss mit lustig! Mit den entrichteten Behandlungsgebühren erwerben Sie ganz klar das Recht darauf, dass wir für Ihr Tier unser tiermedizinisches Bestes geben, aber ganz sicher nicht die Möglichkeit, uns zu einer Straftat – kombiniert mit einem schweren Verstoß gegen unsere Berufsordnung – aufzufordern. Wir bedanken uns bei denen, die das sofort einsehen. Zu denen, die es nicht einsehen, wird unsere Geschäftsbeziehung einfach beendet.
Ein Ratschlag: Denken Sie nach, bevor Sie handeln! Wenn Sie ein neu angeschafftes Tier krankenversichern möchten, dann gehen Sie nicht ohne Not vorher zu einer Tierarztpraxis, die dafür bekannt ist, sehr genau und gründlich zu untersuchen, denn dabei könnten Sachen ans Tageslicht kommen, die dann im weiteren Verlauf zu Versicherungsausschlüssen führen. Was mal in der Akte steht, bleibt da auch! Nur als Beispiel: Wenn ich bei einer Untersuchung – eventuell aus ganz anderem Anlass – einen frakturierten Backenzahn finde, von dem Sie selbst bisher keine Ahnung hatten, ist diese Zahnverletzung ab dem Moment, wo ich sie meiner Mitarbeiterin diktiert habe, aktenkundig. Den dann notwendig werdenden Zahneingriff bekommen Sie ohne krumme Touren auf keinen Fall mehr versichert. Ein Tier ist um so leichter zu versichern, je weniger medizinische Daten über es vorliegen! Allerdings und nur, damit mich nicht jemand ganz und gar falsch versteht, hier ein kleiner Einschub: Das kann natürlich nie und nimmer ein Argument dafür sein, mit einem offensichtlich kranken Tier NICHT sofort medizinische Hilfe zu suchen, völlig unabhängig vom Versicherungsstatus!
Abschließend noch ein anderes Beispiel, das zeigt, wie absurd sowas werden kann: Uns wurde ein Hund vorgestellt, der schon länger und zunehmend an Angstzuständen litt. Die ganze lange Vorgeschichte drehte sich um dieses eine Problem, und alle unsere sich daraus ergebenden diagnostischen Schritte waren darauf ausgerichtet, organische Ursachen für diese Angstzustände auszuschließen. Auf der Rechnung stand neben einigen anderen Nebenbefunden die Diagnose „Vorberichtliche Angstzustände“. Ein paar Tage nach dem Besuch erhielten wir einen Anruf der Besitzerin mit der Bitte, genau dies, also das Hauptproblem und den Grund der Vorstellung, aus dem Diagnosetextfeld der Rechnung verschwinden zu lassen. Es ist hoffentlich für die allermeisten sonnenklar, dass sowas natürlich gar nicht in Frage kommen kann!
Also nochmal: Bitte denken Sie nach und ersparen Sie sich und uns die Peinlichkeit!
Bleiben Sie uns gewogen, bis bald, Ihr
Ralph Rückert
© Ralph Rückert
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