Die Pyometra beim Hund aus Sicht der Besitzer

Von Ralph Rückert, Tierarzt

Eine Zuschrift: „Ich habe eine junge Hündin und rechne in Kürze mit ihrer zweiten Läufigkeit. Ich mache mir Sorgen, dass sie eine Pyometra bekommen könnte. In mehreren Tierarztpraxen wurde mir gesagt, dass das eine sehr gefährliche Erkrankung wäre und ich deshalb meinen Hund unbedingt kastrieren lassen sollte.“

Ja, das ist die Drohkulisse, die nach wie vor von vielen Kolleginnen und Kollegen aufgebaut wird, und zwar nicht nur gegenüber den Besitzern von Hündinnen, sondern auch in Diskussionen untereinander. Es wird von furchterregenden Komplikationsraten berichtet und von Hündinnen, denen man nicht mehr helfen konnte, weil die Besitzer nicht schnell genug auf die Symptome ihres Tieres reagiert hatten. Ist also die Angst vor der Pyometra ein triftiger Grund für eine prophylaktische Kastration?

Die Pyometra ist in der Tat keine seltene Erkrankung, da beißt die Maus keinen Faden ab. Als Besitzer einer intakten (nicht kastrierten) Hündin müssen Sie bis zum Alter von 10 Jahren mit einem Risiko von knapp 25 Prozent rechnen. Bei bestimmten, offenbar besonders zu der Krankheit neigenden Rassen könnte es sogar auf über 50 Prozent hochgehen. Das ist aus medizinischer Sicht schon sehr häufig. Nur zum Vergleich: In der öffentlichen Wahrnehmung ist es ja so, dass notorische Raucher irgendwann mit Sicherheit Lungenkrebs bekommen. In Wirklichkeit erwischt es aber nur etwa 10 Prozent. Da sind 25 (und mehr) Prozent bezüglich der Pyometra schon eine echte Hausnummer. Aber, mal andersrum gesehen: 75 Prozent (drei Viertel!) der intakten Hündinnen bekommen eben keine Pyometra.

In der Überschrift steht „aus Sicht der Besitzer“, also aus Sicht des medizinischen Laien. Ich werde dementsprechend in diesem kurzen Artikel erst gar nicht groß auf medizinische Details zur Pyometra eingehen, die Sie bei entsprechendem Interesse in dieser sehr aufschlussreichen Veröffentlichung des geschätzten Kollegen Konrad Blendinger nachlesen können. Es wäre mir sehr recht, wenn Sie das tun würden, es ist aber nicht unbedingt notwendig im Sinne meiner Botschaft für Sie.

Bei einer Pyometra füllt sich die Gebärmutter der Hündin, ein normalerweise etwa bleistiftdickes und unauffälliges Organ, mit Eiter, und zwar in fortgeschrittenen Fällen mit derartig viel Eiter, dass der Uterus inklusive Inhalt mehr als 10 Prozent des Körpergewichts ausmachen kann. Die Erkrankung ist für die Hündin sehr schmerzhaft, der Gesamtorganismus wird durch die eitrige Entzündung schwer belastet. Eine unbehandelte Pyometra führt zum Tod, weil die sich immer praller füllende Gebärmutter irgendwann platzt und der Eiter sich in die Bauchhöhle ergießt.

Aus Sicht der Besitzer intakter Hündinnen stellt sich als erstes die Frage: Kann ich prophylaktisch tätig werden? Einfache Antwort: Nein, bei einer intakten Hündin eigentlich nicht. Sie sollten nur die Finger von läufigkeitsunterdrückenden Medikamenten und von der nicht mehr dem Stand der Wissenschaft entsprechenden Nidationsverhütung („Spritze danach“) mit Östrogenen lassen, denn diese können das Risiko für eine Pyometra beträchtlich erhöhen.

Wenn man die Entstehung einer Pyometra nicht verhindern kann, muss man sich natürlich als nächstes fragen, wie man sie möglichst früh erkennt. Das ist jetzt wirklich wichtig, weil wir alle schon mehr als genug Patientinnen operiert haben, bei denen die Erkrankung viel zu lang verschleppt war. Also: In den meisten Fällen tritt eine Pyometra zwei Wochen bis zwei (manchmal vier) Monate nach der letzten Läufigkeit auf. Das Risiko scheint zwar für Hündinnen über 4 Jahren höher zu sein, aber trotzdem Vorsicht: Ich habe schon Pyometra-Fälle nach der allerersten Läufigkeit gesehen. Man kann sich also auch bei sehr jungen Hündinnen nicht sicher fühlen.

Auf diese General-Symptome sollten Sie achten:

1. Leistungsschwäche und Bewegungsunlust bis hin zur Apathie.

2. Polydipsie / Polyurie, auf gut Deutsch: Deutlich vermehrte Wasseraufnahme und entsprechend viel Harnausscheidung. Mit „deutlich vermehrt“ ist eine Verdopplung oder Verdreifachung der normalen Trinkmenge gemeint.

3. Nachlassender Appetit bis hin zur vollständigen Futterverweigerung.

4. Eitriger Ausfluss aus der Vulva der Hündin. Dieser tritt aber nur bei der sogenannten „offenen“ Form der Pyometra, also NICHT regelmäßig auf.

5. Bauchweh und eventuell (keineswegs immer) ein vergrößerter Leibesumfang, so in dem Sinne „Wo ist denn ihre Taille plötzlich hin?“.

Nun, das sind ja alles Symptome, die einen als Tierbesitzer allemal schleunigst zur Tierarztpraxis treiben sollten, völlig egal, durch was sie verursacht werden. Treten sie aber bei einer Hündin in den Wochen nach der Läufigkeit auf, müssen sofort und ohne Zeitverzug alle Alarmglocken läuten! Warten Sie in solchen Fällen niemals ab und suchen Sie bitte sofort tiermedizinischen Rat!

Was macht der Tierarzt, wenn Sie mit Ihrer kranken Hündin bei ihm aufschlagen? Nach einer körperlichen Untersuchung wird er sich wahrscheinlich Blut abzapfen und dann eine Ultraschalluntersuchung (Sonografie) der Bauchhöhle durchführen. In manchen Fällen kann auch Röntgen Sinn machen, aber grundsätzlich ist die Sonografie das diagnostische Mittel der Wahl bei einem Verdacht auf Pyometra. Mit dem Ultraschall ist eine Gebärmuttervereiterung eigentlich nur zu übersehen, wenn einem jemand ganz fest die Augen zuhält.

Ist eine Pyometra erst mal zweifelsfrei diagnostiziert, sollte auch zügig (meist am gleichen Tag!) operiert werden. Keiner, weder der Besitzer noch der Tierarzt, könnte es sich verzeihen, wenn die Gebärmutter wegen einer Zeitverzögerung platzen würde, was fast immer tödlich endet. Das vereiterte und den ganzen Körper vergiftende Organ muss schleunigst raus! Diese Operation ist für viele Tierarztpraxen und Tierkliniken ein oft geübter Routineeingriff, der nichtsdestotrotz mit aller Vorsicht durchgeführt werden sollte. Eine so richtig prall mit Eiter gefüllte Gebärmutter hat oftmals so dünne Wände, dass sie schon reißen kann, wenn man nur scharf hinschaut.

Kollege Blendinger erwähnt in seinem oben verlinkten Artikel auch noch die Möglichkeit der konservativen Behandlung (also nur medikamentös, ohne Operation), was aber von den meisten Praktikern (auch von mir) sehr pessimistisch gesehen wird. Dieser Pessimismus wird durch die statistischen Daten mit einer Rezidivrate von bis zu 77 Prozent bestätigt. Demnach sollte der Versuch einer konservativen Behandlung Hündinnen vorbehalten sein, mit denen man unbedingt nochmal züchten möchte.

So, wie wir nun gesehen haben, ist man bei einer Pyometra in den allermeisten Fällen gezwungen, das Leben der erkrankten Hündin mittels einer Operation zu retten. Wie wird dieser Eingriff von den Patientinnen verkraftet? In der Regel beeindruckend gut. Meist geht es den Hündinnen 24 Stunden postoperativ bereits deutlich besser als vorher. Bezüglich des statistischen Sterberisikos habe ich ca. 13 Prozent im Kopf, aber das ist sicher eine Zahl, die ziemlich querbeet ermittelt wurde. In den Händen von Kolleginnen und Kollegen, die wissen, was sie tun, halte ich es für viel geringer. Ich selbst beispielsweise habe in den 30 Jahren meiner praktischen Tätigkeit sehr viele Pyometra-Patientinnen operiert, dabei aber nicht eine verloren.

Kommen wir also auf die anfängliche Fragestellung zurück: Rechtfertigt die Angst vor einer Pyometra eine prophylaktische Kastration der jungen, gesunden Hündin? Ich sage: Nein!

Zweifellos sehen wir aktuell wieder mehr Pyometra-Fälle als in den Jahrzehnten, in denen einfach alles kastriert wurde, was nicht bei Drei auf dem Baum war, aber nur ein Viertel aller intakten Hündinnen wird im Lauf des Lebens an einer Pyometra erkranken. Unter bestimmten und eigentlich leicht zu erfüllenden Voraussetzungen, nämlich:

1. Die Patientenbesitzer bemerken im Rahmen der ganz normalen Aufmerksamkeit für ihr Tier frühzeitig, dass da was nicht stimmt, und…

2. Die Hündin wird ohne großen Zeitverzug in einer bezüglich Diagnostik und Chirurgie im Rahmen der ganz normalen Sorgfalt arbeitenden Praxis oder Klinik vorgestellt…

…werden so gut wie alle an einer Pyometra erkrankten Patientinnen erfolgreich operiert werden können.

Dazu kommt, dass eine Amputation von Körperteilen bzw. eine Organentnahme am gesunden Hund nur zum Zwecke der Prophylaxe von eventuell irgendwann im Leben auftretenden Krankheiten oder Verletzungen nach aktueller Tierschutz-Ethik nicht statthaft ist. Sonst könnten wir mit Fug und Recht wieder Ohren und Schwänze abschneiden, denn an diesen Körperteilen verletzen sich Hunde tatsächlich recht häufig.

Bleiben Sie uns gewogen, bis bald, Ihr

Ralph Rückert

 

© Kleintierpraxis Ralph Rückert, Römerstraße 71, 89077 Ulm

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