Von Ralph Rückert, Tierarzt
Vergangene Woche habe ich meine Hüftgelenkprothese (TEP, künstliches Hüftgelenk) eingebaut bekommen. Für die Durchführung des Eingriffs habe ich mich vertrauensvoll in die routinierten Hände von Prof. Dr. Johannes Beckmann und seinem Team im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder in München begeben. Obwohl ich ein paar Tage nach der Operation noch lange nicht aus dem Zeitfenster für etwaige Komplikationen raus bin, so bin ich doch sehr erfreut und zufrieden, wie schnell man nach einem solchen doch recht heftigen Eingriff wieder auf die Füße kommt.
Für einen Gelenkersatz wählt man normalerweise eine Klinik, in der sehr viele dieser Eingriffe durchgeführt werden, denn die Erfolgsraten der Einrichtung stehen im unmittelbaren Zusammenhang mit den Fallzahlen. Da will man also tatsächlich mal das, was man sonst in der Medizin eher nicht sucht, nämlich eine zertifizierte „Endoprothesen-Fabrik“, wo man als Patient durchläuft wie am Fließband und nach hoffentlich sehr kurzem Aufenthalt mit seinem neuen Robocop-Gelenk wieder ausgespuckt wird. Bei den Barmherzigen Brüdern bleibt man nach einer Hüft-TEP in der Regel nur drei Tage stationär und man spürt halt wirklich an allen Ecken und Enden das aus gewaltigen Fallzahlen gewachsene Selbstbewusstsein eines hochgradig spezialisierten Teams.
Dieses Selbstbewusstsein, diese fachliche Kompetenz hatte ich offen gesagt auch genau so erwartet. Was mich als jemand mit wenig Krankenhauserfahrung ausgesprochen positiv überrascht hat, war das gesamte Pflegepersonal. Ich hatte irgendwie mit durch Überlastung maximal gestressten Menschen gerechnet und mich auch geistig darauf vorbereitet, ihnen so wenig wie möglich zur Last zu fallen und ihnen auch möglichst gar nichts übel zu nehmen. Was ich dann aber erleben durfte, waren gut gelaunt wirkende Freundlichkeit, echte Zuwendung und ein stetiges Sichkümmern um mich und meine Bedürfnisse als Patient. Zu keinem Zeitpunkt habe ich mich allein gelassen gefühlt. Obwohl ich während meines Aufenthalts nur zweimal geklingelt habe, davon einmal aus Versehen, hat immer wieder jemand nach mir geschaut und mich gefragt, ob ich wohlauf wäre oder man mir was Gutes tun könne.
Diese Freundlichkeit und Zuwendung beschränkten sich auch keineswegs auf „meine“ Station, sondern waren im ganzen Haus festzustellen, ob nun beim Röntgen, in der Anästhesie oder einfach bei Begegnungen auf dem Gang oder im Treppenhaus. Und das ging häufig eindeutig darüber hinaus, was man gemeinhin als Pflichterfüllung bezeichnen würde. Zum Beispiel bekam ich am Abend nach meiner OP ein attraktives, aber angesichts meines Appetits etwas klein portioniertes Abendessen. Als ich dann nach 22 Uhr ein bisschen verzweifelt fragte, ob es vielleicht auf der Station noch irgendeine Kleinigkeit zu essen gäbe, hatte ich nach wenigen Minuten nochmal eine komplette Portion Abendessen auf meinem Tisch. Schon klar, sowas ist nicht wirklich systemrelevant, aber mir hat es halt ein echt warmes Gefühl gegeben. Die Beiden, die das so locker organisiert haben, hätten ja auch sagen können, dass der verwöhnte Privatpatient eben bis morgen früh warten soll und sowieso doof ist, weil er sich keine Kekse oder Schokolade mitgebracht hat.
Wie auch immer: Selbst bei einem so kurzen Aufenthalt wegen eines elektiven Eingriffs konnte ich leicht mit eigenen Augen feststellen, was die Fachkräfte für Krankenpflege tagtäglich für eine Leistung abliefern, und das trotz der zweifellos gegebenen Überlastung eben nicht irgendwie widerwillig oder zähneknirschend, sondern mit bewundernswertem Einsatz und Enthusiasmus.
Und dann musste ich unwillkürlich noch über die aktuellen und abstoßenden Entwicklungen in unserem Land nachdenken: All die Namensschilder der vielen Fachkräfte für Krankenpflege (und der Ärztinnen und Ärzte!), die ich in den drei Tagen gelesen habe, waren buchstäblich eine virtuelle Weltreise. Klassisch deutsche Namen wie Huber, Maier, Schmidt oder was auch immer waren eher die Ausnahme als die Regel. Das optische Erscheinungsbild bestätigte diesen Eindruck in vielen Fällen. Sprich, Menschen mit einem wie auch immer gearteten Migrationshintergrund stellen einen sehr hohen Anteil dieser mit vollem Einsatz arbeitenden Pflegekräfte im Krankenhaus. Angesichts der momentanen Stimmungslage in Deutschland wird mir speiübel vor Wut und Entsetzen, wenn ich mir zum Beispiel vorstelle, dass eine „meiner“ Pflegekräfte, optisch vermutlich somalischer Herkunft und eine wirklich ganz liebe Person, in der U-Bahn von irgendeinem national gesinnten AfD-Bürger oder einem Glatzen-Fascho auch nur schief angeschaut wird, weil sie eine dunkle Hautfarbe hat. Gnad uns Gott, wenn diese so hart und ehrbar arbeitenden Leute an irgendeinem Punkt beschließen, dass sie mit dem inzwischen herrschenden Klima im Land nicht mehr klar kommen und keine Lust mehr darauf haben, sich anlasslos von der Polizei kontrollieren, dumm anschauen, anpöbeln oder gar wie Freiwild angreifen zu lassen. Das würde einen schweren Verlust für Deutschland und ganz nebenbei einen echten Systemzusammenbruch bedeuten. Ich persönlich fände es schrecklich, wenn sich Menschen, die sich so engagiert um andere kümmern, sie in einer sehr verletzlichen und belastenden Situation nach Kräften pflegen, sich hierzulande nicht mehr wohl und sicher fühlen könnten!
Bleiben Sie uns gewogen, bis bald, Ihr
Ralph Rückert
© Ralph Rückert
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