Der Subileus: Eine tückische Form des Darmverschlusses

Der Subileus: Eine tückische Form des Darmverschlusses

Von Ralph Rückert, Tierarzt, und Johanne Bernick, Tierärztin

Ein Ileus ist ein Darmverschluss, und ein Darmverschluss ist für den jeweiligen Patienten ein dramatisches Ereignis, begleitet von akut einsetzenden und extrem unangenehmen Beschwerden. Die Ileus-Generalsymptome, also unstillbares Erbrechen (evtl. als sogenanntes Koterbrechen), Futterverweigerung, sistierender (immer weniger werdender) Kotabsatz und meist schwere Bauchschmerzen sind recht eindeutig und erzwingen die schnelle Konsultation einer tiermedizinischen Einrichtung, so dass die Diagnose unter Zuhilfenahme von Röntgen und Ultraschall in der Regel schnell gestellt ist.

Deutlich tückischer ist ein Subileus, also ein nicht vollständiger Darmverschluss, der entweder – zum Beispiel bedingt durch einen langsam wachsenden Tumor – nur allmählich entsteht oder aber – wie in diesem Fall – durch einen annähernd scheibenförmigen Fremdkörper verursacht wird, der sich nur ganz langsam durch den Darm weiter bewegt und dabei je nach Position mal die Passage des Nahrungsbreis komplett blockiert, mal wieder weitgehend frei gibt.

In diesem Fall hatte sich die Patientin – eine Patterdale-Terrier-Hündin – unbemerkt ein Teil eines schon ziemlich verrotteten Gummiballes einverleibt und zeigte über einen längeren Zeitpunkt immer wieder mal die oben angeführten Symptome (geprägt vor allem von tagelanger Futterverweigerung), die zwar mehrfach tiermedizinisch behandelt wurden, allerdings ohne dass eine zutreffende Diagnose gestellt worden wäre. Zwischendurch veränderte der Fremdkörper durch den quälend langsamen Weitertransport im Dünndarm seine Lage dergestalt, dass die Passage des Nahrungsbreis fast ungehindert möglich war, was dann eine deutliche Besserung der Symptome verursachte, so dass ein Erfolg der jeweiligen (rein symptomatischen) Behandlungen vorgetäuscht wurde.

Die Hündin wurde uns in einer erneuten Akut-Phase vorgestellt, bei der nun auch Koterbrechen auftrat. Eine Blutuntersuchung ergab eine mittelgradige Leukozytose (Erhöhung der weißen Blutkörperchen) und eine geringgradige Anämie (Mangel an roten Blutkörperchen). Röntgenaufnahmen ließen den Fremdkörper nicht erkennen, weckten aber trotzdem zumindest den Verdacht auf einen Ileus, weil unterschiedlich weite Darmschlingen sichtbar waren. Das Thema Gummi ist bei Röntgenbildern problematisch, weil aus Gummi bestehende Fremdkörper sich je nach Zusammensetzung unterschiedlich kontrastreich darstellen können, mal sehr gut sichtbar, mal annähernd unsichtbar. Recht eindeutig war dann – wie zu erwarten – der Bauch-Ultraschall, bei dem sonografische Generalsymptome für einen Ileus sichtbar wurden, nämlich eine sogenannte Pendel-Peristaltik, überfüllte Darmschlingen vor dem Hindernis und auch der Fremdkörper selbst.

Früher, in den Zeiten, in denen noch nicht in annähernd jeder Praxis ein Ultraschallgerät zur Verfügung stand, wurden Darmverschlüsse meist durch Röntgen-Kontraststudien diagnostiziert. Zu diesem Zweck bekamen die Patienten ein Kontrastmittel verabreicht, dessen Passage durch Magen und Darm dann mittels wiederholter Röntgenaufnahmen beobachtet wurde. Diese Vorgehensweise ist inzwischen durch die Abdomen-Sonografie annähernd obsolet geworden und wird außerdem liebend gerne vermieden, weil sie eine Ultraschalluntersuchung unmöglich und eine eventuell notwendige Darmoperation schwieriger und gefährlicher macht.

Ein durch einen Fremdkörper verursachter (Sub-)Ileus muss in der Regel chirurgisch behandelt werden, also durch operative Entfernung des Passagehindernisses aus dem Darm. Nach Eröffnung der Bauchhöhle wird der Fremdkörper aufgesucht. Der betreffende Darmabschnitt wird durch das Setzen von weich fassenden Darmklemmen isoliert. Der Darm wird über oder neben dem Fremdkörper längs eingeschnitten (Enterotomie), so dass dieser entnommen werden kann. Die Darmwunde wird dann durch eine feine, „wasserdichte“ Naht wieder verschlossen. Hat der Fremdkörper durch ein längeres Festsitzen an einer Stelle zu nicht mehr reparablen Schäden der Darmwand geführt, kann es notwendig werden, den betreffenden Darmabschnitt zu entfernen. Bei komplikationslosem Heilungsverlauf ist mit einer zügigen Erholung der Patienten zu rechnen. Das Foto oben zeigt die Terrier-Hündin aus unserem Fall weniger als 24 Stunden nach ihrer OP.

In manchen Fällen bringt aller diagnostischer Aufwand mit Röntgen und Sono keinen definitiven Beweis für einen (Sub-)Ileus. Dann bleibt nur noch die diagnostische Laparotomie (Bauchöffnung) als letztes und fachlich völlig legitimes Mittel, um Klarheit zu erlangen. So hart das klingen mag, aber lieber schneidet man einmal zu oft auf, um live und in Farbe nachzugucken, was da faul ist, als einmal zu wenig. Es sind schon sehr viele Patienten an einem zu zögerlich angegangenen (Sub-)Ileus verstorben, aber kaum einer wegen einer exploratorischen Laparotomie.

Take-Home-Message dieser kurzen Falldarstellung: Zeigt ein Tier die klassischen Symptome eines Darmverschlusses, ist die Lage meist sonnenklar. Kommen und gehen diese Symptome aber immer wieder, kann ein Subileus dahinter stecken. Dadurch, dass sich das Befinden der Patienten auch unter rein symptomatischer Behandlung zwischendurch immer wieder scheinbar bessert, kann es zu einer enormen zeitlichen Verschleppung solcher Fälle kommen, mit entsprechend immer schlechter werdendem Allgemeinbefinden. Da helfen nur hartnäckiges Nachhaken und der frühzeitige Einsatz aller diagnostischen Möglichkeiten.

Bleiben Sie uns gewogen,

Ihr Ralph Rückert, Ihre Johanne Bernick

© Kleintierpraxis Ralph Rückert, Römerstraße 71, 89077 Ulm

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