Der Hund, der Wildschweinbraten und das Aujeszky-Virus

Von Ralph Rückert, Tierarzt

Mal aus aktuellem Anlass eine ganz kurze Anmerkung: In einer der letzten Ausgaben des Zeit-Magazins wurde erläutert, dass für die mehr als 90 Prozent der Bevölkerung, die gegen den Trend der Zeit immer noch gerne Fleisch verzehren, der Kauf von Wildschweinfleisch eine sinnvolle Alternative zum Schweinebraten aus der Massentierhaltung wäre. Wildschweine müssen unter den heutigen Voraussetzungen – die nicht Gegenstand dieses Artikels sein sollen – sowieso in großer Zahl (mehr als 800000 pro Jahr) geschossen werden. Eine Verwendung als hochwertiges Nahrungsmittel macht also auch in meinen Augen durchaus Sinn.

Das Zeit-Magazin wäre nicht das Zeit-Magazin, wenn bei dieser Gelegenheit nicht auch gleich ein paar Wildschwein-Rezepte mitgeliefert worden wären, und zwar italienische. Die klangen gut, so dass wir uns spontan Wildschwein gekauft haben, um mal „Cinghiale al latte“ zu versuchen. Das Rezept verlangt, dass das Fleisch vor dem Schmoren in mundgerechte Stücke geschnitten wird, und als ich da am Schneidbrett stand, sah ich aus dem Augenwinkel und keineswegs unerwartet, dass unser Terrier Nogger schon rechts von mir Position bezogen hatte, in der nach seinen bisherigen Erfahrungen nicht unberechtigten Hoffnung, dass da was für ihn abfallen könnte.

Unerwartet war aber der kurze Schreck, der mir dabei in die Glieder gefahren ist, als ich mir schlagartig bewusst machte, dass ein versehentlich runterfallendes Fitzelchen dieses Wildschweinfleischs Noggers sicheren Tod bedeuten könnte.

Wildschweine sind zu einem gewissen und sicher regional unterschiedlichen Prozentsatz (Vermutung: ca. 10 Prozent?) Träger des Aujeszky-Virus (offizieller Name: Suides Herpesvirus 1, SuHV 1), das ihnen selbst zwar nicht weiter schadet, bei einem Fleischfresser aber eine unbedingt tödlich verlaufende Krankheit, die Pseudowut, auslöst. Nach einer sehr kurzen Inkubationszeit von meist nur drei bis fünf Tagen bricht die Krankheit unter schweren zentralnervösen Erscheinungen und furchtbarem Juckreiz (Englisch: „Mad Itch“) aus und führt nach wenigen Tagen unweigerlich zum Tod, wobei diesem meist durch die Euthanasie zuvorgekommen wird.

Für den Menschen ist das Suide Herpesvirus harmlos!

Im Gegensatz zu Wildschweinen ist der deutsche Hausschweinbestand schon seit vielen Jahren frei von Aujeszky-Viren. Sicher aus Deutschland stammendes Schweinefleisch kann also auch in rohem Zustand gefahrlos an Hunde verfüttert werden.

Bei der Zubereitung von Wildschweinfleisch dagegen sollten Sie unbedingt darauf achten, strengste Hygiene walten zu lassen, so dass Ihr Hund keinesfalls damit in Berührung kommen kann.

Wie gesagt, nur ein kurzer Hinweis! Nicht, dass das Zeit-Magazin mit seiner eigentlich lobenswerten Aufforderung zum Verzehr von Wildschwein noch eine Pseudowut-Welle unter deutschen Hunden auslöst!

Ach ja, nicht zu vergessen: Auch die Katze, unschlagbarer Meister im Diebstahl von Küchen-Arbeitsplatten, ist mit Sicherheit des Todes, wenn sie sich mit dem Aujeszky-Virus infiziert!

Also am besten das Fleisch zügig verarbeiten, ab in den Topf damit, und dann Messer, Schneidbrett und Hände sorgfältig reinigen. Das fertige, meist geschmorte Gericht stellt dann wiederum keine Gefahr für Fleischfresser dar.

Bleiben Sie uns gewogen, bis bald, Ihr

Ralph Rückert

 

© Kleintierpraxis Ralph Rückert, Römerstraße 71, 89077 Ulm

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