Von Ralph Rückert, Tierarzt
Unzählige Male habe ich in meinen 30 Jahren als praktizierender Tierarzt meinen Patienten Schmerzmittel zur Linderung ihrer Beschwerden durch degenerative Gelenkveränderungen (Arthrose) verschrieben. Und ebenso unzählige Male bin ich nach meiner Meinung gefragt worden zu Zusatzpräparaten mit allenfalls zweifelhafter oder gar überhaupt nicht nachweisbarer Wirkung, wie zum Beispiel Kollagen, Glucosamin, Chondroitin, etc..
Auf Verblüffung und manchmal sogar einen gewissen geistigen Widerstand stoße ich dagegen, wenn ich den Patientenbesitzern das effektivste Arthroseschmerzmittel überhaupt ans Herz lege, das zudem auch noch den enormen Vorteil hat, das Weiterfortschreiten der Gelenkveränderungen zumindest zu verlangsamen. Wie heißt dieses Wundermittel?
Es ist unter dem Markennamen „Gewichtsreduktion (Speck weg!)“ erhältlich, und das auch noch sehr kostengünstig! Glaubt mir jetzt wahrscheinlich wieder keiner, aber das ist wirklich ausreichend belegt. Für übergewichtige Arthrosepatienten gibt es buchstäblich keine Einzelmaßnahme, die segensreicher wirken würde!
Es wurde ermittelt, dass sich arthrosebedingte Lahmheiten bei Hunden ab einer Gewichtsreduktion von moderaten 8 Prozent signifikant zu verbessern anfangen. Dass das auch für den Menschen zutrifft, konnte ich in den letzten Monaten durch einen gezielten Gewichtsverlust von etwa 15 kg erfreut am eigenen Leib erfahren. Glauben Sie mir: Ein Unterschied wie Tag und Nacht!
Ein überdurchschnittlich hoher Prozentsatz der Arthrosepatienten ist mehr oder weniger übergewichtig. Man denkt sich: Logisch! Höheres Gewicht ist gleich höhere Gelenkbelastung ist gleich höherer Gelenkverschleiß und damit Arthrose. Stimmt auch, ist aber nicht die ganze Wahrheit. Beim Menschen hat sich gezeigt, dass fettleibige Patienten auch überdurchschnittlich oft Arthrosen in den Händen entwickeln, was sich ja mit dem höheren Körpergewicht nicht wirklich erklären lässt. Das liegt nach den bisherigen Erkenntnissen daran, dass Fettzellen ganz massiv an der Entstehung und Unterhaltung entzündlicher Prozesse im Körper beteiligt sind. Eine Reduktion des Körperfettanteils hat also schon ganz allgemein eine segensreiche Wirkung auf entzündliche Reaktionen aller Art, zu denen natürlich auch die Osteoarthritis bzw. Arthrose gehört.
Übergewichtige Hunde und Katzen werden (spätestens ab dem mittleren Alter) schon rein gewichtsbedingt ihre körperliche Aktivität herunterfahren. Bewegungsmangel ist nach dem Motto „Use it or lose it“ ein weiterer Faktor, der die Entstehung von degenerativen Gelenkveränderungen begünstigt. Treten dann zur Dickleibigkeit auch noch chronische Schmerzen hinzu, wird die Bewegung noch weiter reduziert, und damit ist der Teufelskreis perfekt: Bewegungsmangel, weitere Gewichtszunahme, stärkere Schmerzen, noch mehr Gewicht, und so weiter und so fort.
Sie haben zwei Möglichkeiten: Erstens können Sie sich bemühen, erst gar nicht in diesen Teufelskreis zu geraten, also das Gewicht Ihres Tieres sein Leben lang genauestens zu überwachen und die Ernährung zeitnah an Veränderungen anzupassen. Das wäre natürlich der ideale Weg. Oder Sie müssen, wenn sozusagen das dicke Kind schon in den Brunnen gefallen ist, eine zügige Gewichtsreduktion anstreben.
Hundehalter sind diesbezüglich im Vorteil. Wie der Mensch kann der Hund selbst mit Crash-Diäten ziemlich gut umgehen, ohne dadurch entscheidenden Schaden zu nehmen. Das ist praktisch, weil ein gewisser Zeitdruck bei dieser Problematik nicht zu leugnen ist.
Größte Vorsicht dagegen bei dicken Katzen: Der Versuch einer Crash-Diät kann bei dieser Tierart (ohne jede Übertreibung!) tödlich enden. Das Körpergewicht speziell fetter Katzen kann nur sehr allmählich und möglichst unter tiermedizinischer Kontrolle reduziert werden.
Bei Ihrem Hund können Sie das gerne selber managen. Gewichtsreduktion ist trotz des ganzen Wesens, das um dieses Thema seit Jahrzehnten gemacht wird, keine Quantenphysik: Das Dickerle muss halt einfach weniger Kalorien aufnehmen als es im Alltag so verbrät. Regelmäßiges Wiegen verrät einem schnell, ob man es richtig macht. Da kann man auch anfangs ruhig ein bisschen aufs Gas treten, denn je schneller sich die Lahmheiten verbessern, desto schneller kann man auch die Bewegung wieder hochfahren, was einem dann wiederum bei der weiteren Gewichtsreduktion hilft.
Allerdings: Für eines brauchen Sie Ihren Tierarzt dann auch bei einer Hundediät doch. Bevor Sie mit der Gewichtsreduktion anfangen, sollte eine umfassende Blutuntersuchung mit besonderem Augenmerk auf die Schilddrüsenfunktion durchgezogen werden. Nicht wenige ältere und übergewichtige Hunde leiden insgeheim unter einer Schilddrüsenunterfunktion, bei deren Vorliegen Sie sich mit ihren Diätbemühungen fast mit Sicherheit die Zähne ausbeißen würden. Wird eine SDU dagegen korrekt behandelt, nimmt der Hund fast von selber ab.
Wie schlank sollte ein Arthrosepatient sein? Schwer zu sagen, weil natürlich auch ein Stück weit von der Rasse abhängig. Werden Sie aber zum ersten Mal auf der Straße von einem Passanten gefragt, ob der Hund auch genug zu fressen bekommen würde, müssten Sie das Ziel in etwa erreicht haben 😉 .
Ach ja, noch ein Hinweis: Bekommt Ihr Hund schon vor einer Diät ein NSAID als Schmerzmittel, müssen Sie eventuell in Absprache mit Ihrem Tierarzt die Dosis des Medikaments an das sinkende Gewicht anpassen, damit es nicht zu einer chronischen Überdosierung kommt. Das gilt natürlich auch für alle anderen Dauermedikamente!
Bleiben Sie uns gewogen, bis bald, Ihr
Ralph Rückert
© Kleintierpraxis Ralph Rückert, Römerstraße 71, 89077 Ulm
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