Da ist was im Busch: Die Leishmaniose beim Hund

Von Ralph Rückert, Tierarzt

Leishmaniose? Eine von Mücken übertragene Krankheit als Thema im November? Stimmt, eigentlich nicht ganz passend. Andererseits: Wenn man erst darüber schreibt, sobald sich schon wieder die ersten Hundebesitzer auf den Weg in südliche Gefilde machen, ist es auch zu spät. Außerdem habe ich eben jetzt gerade Lust auf dieses Thema und mute Ihnen dementsprechend zu, die Informationen für die kommende Saison abzuspeichern.

Ein kurzer Steckbrief zur Einleitung: Die Leishmaniose ist eine parasitäre, durch einen Vektor (Mücken der Gattung Phlebotomus, bekannt als Sand- oder Schmetterlingsmücken) übertragene und zoonotische (auf den Mensch übertragbare) Infektionskrankheit. Der Erreger: Das Protozoon (einzelliges Urtierchen) Leishmania infantum. Das natürliche Reservoir des Erregers scheinen Hunde und Nager darzustellen, es können aber auch andere Säugetiere einschließlich des Menschen infiziert werden. Leishmanien-DNA konnte bereits in 4000 Jahre alten ägyptischen Mumien nachgewiesen werden.

Beim Menschen gibt es zwei Formen der Leishmaniose. Die viszerale (Eingeweide-) Form befällt die inneren Organe (und die Haut). Diese Krankheitsform ist auch bekannt als Schwarzes Fieber oder Kala-Azar (Hindi für „Schwarze Haut“). Die kutane Leishmaniose beschränkt sich auf die Haut. Viele Karl-May-Leser werden sich an Sir David Lindsey aus den Kara-Ben-Nemsi-Romanen erinnern, der sich eine Aleppo-Beule, also eine kutane Leishmaniose einfängt. Da Karl May die Symptome so perfekt beschreibt, auch Hunde und Katzen nicht unerwähnt lässt und nicht zuletzt aus Gründen der Nostalgie und des Unterhaltungswertes, scheint hier ein längeres Zitat angemessen:

„Er [Lindsay] war nämlich vor einigen Tagen von einem Fieber befallen worden, welches ungefähr vierundzwanzig Stunden lang anhielt. Dann war es wieder verschwunden, aber mit diesem Verschwinden hatte sich bei ihm jenes schaudervolle Geschenk des Orientes entwickelt, welches der Lateiner Febris Aleppensis, der Franzose aber Mal d’Aleppo oder Bouton d’Alep nennt. Diese „Aleppobeule“, welche nicht nur Menschen, sondern auch gewisse Tiere z.B. Hunde und Katzen heimsucht, wird stets von einem kurzen Fieber eingeleitet, nach welchem sich entweder im Gesicht oder auch auf der Brust, an den Armen und Beinen eine große Beule bildet, welche unter Aussickern einer Feuchtigkeit fast ein ganzes Jahr steht und beim Verschwinden eine tiefe, nie wieder verschwindende Narbe hinterläßt. Der Name dieser Beule ist übrigens nicht zutreffend, da die Krankheit nicht nur in Aleppo, sondern auch in der Gegend von Antiochia, Mossul, Diarbekr, Bagdad und in einigen Gegenden Persiens auftritt. […]
„Wie lange werde ich dieses Ding haben?“
„Ziemlich ein Jahr, Sir!“
Er machte ein Paar Augen, daß ich vor Schreck beinahe zurückgewichen wäre, zumal das Entsetzen ihm den Mund so weit aufriß, daß die Nase mitsamt der Snuff-box (Schnupftabaksdose) geradewegs hätte hineinspazieren können.
„Ein Jahr? Ein ganzes Jahr? Zwölf ganze Monate?“
„So ungefähr.“
„Oh! Ah! Horrible! Fürchterlich, entsetzlich! Gibt es kein Mittel? Pflaster? Salbe? Brei auflegen? Wegschneiden?“
„Nichts, gar nichts.“
„Aber jede Krankheit hat ihr Mittel!“
„Diese nicht, Sir. Diese Beule ist nicht im mindesten gefährlich; aber wenn man sie zu zerteilen sucht oder gar ritzt und schneidet, dann kann sie sehr schlimm werden.“
„Hm! Was dann, wenn sie fort ist? Sieht man es noch?“
„Das ist verschieden. Je größer die Beule, desto größer auch das Loch, welches zurückbleibt.““

Das stimmt alles ziemlich genau. Die Aleppo-Beule geht nach etwa einem Jahr vorüber, die zurückbleibende Narbe bleibt aber häufig massiv entstellend. Zu allem Unglück wird die Aleppo-Beule in der Regel von Leishmania tropicans ausgelöst, während wir es hier in Europa viel eher mit Leishmania infantum zu tun haben, bei dem die Hautinfektion leider nicht unbehandelt abheilt.

Im Mittelmeerraum konnten unter Hunden je nach Region sehr hohe Infektionsraten von beispielsweise 40 Prozent in Andalusien und bis zu 80 Prozent auf Sizilien ermittelt werden. Damit ist der Hund das bedeutsamste Erreger-Reservoir für die Leishmaniose beim Menschen. Die infizierten Hunde werden von Sandmücken gestochen, wodurch es zu einer zunehmenden Durchseuchung der Phlebotomen-Population kommt. Sticht dann eine infizierte Mücke einen anderen Hund oder einen Menschen, werden die Leishmanien auf diesem Weg weitergegeben.

Die Leishmaniose kann man guten Gewissens als heimtückische Erkrankung beschreiben. Die Inkubationszeit beträgt Monate bis Jahre! Mehr als die Hälfte der infizierten Hunde bleibt symptomlos, und auch das ist letztendlich ein Problem, weil genau diese symptomlosen Träger die Erreger permanent und unerkannt an die Sandmücken weitergeben. Und das ist auch mit der Grund, warum ich in der Überschrift geschrieben habe, dass da was im Busch wäre. Im Sommer 2014 wurde eine Sandmücke in der Region Gießen gefunden, der bisher nördlichste Nachweis in Deutschland. Es ist bisher nicht klar, ob sich die Phlebotomen hier bereits fest etabliert haben oder nur in der Sommersaison per Autostop so weit nach Norden reisen können.

Angesichts der zunehmenden Erwärmung kann es aber nur eine Frage der Zeit sein, bis wir auch hier in Deutschland eine stabile Phlebotomen-Population haben. Und dann kommen wieder die oben erwähnten symptomlosen, aber infizierten Hunde ins Spiel, die die Mücken allmählich durchseuchen können, womit dann auch die Leishmaniose endgültig hierzulande angekommen wäre. Es gibt zunehmend Berichte von Leishmaniose-Fällen bei Hunden und Menschen, die angeblich Deutschland noch nie verlassen haben. Es ist also wirklich was im Busch!

Also: Etwas mehr als die Hälfte der infizierten Hunde entwickelt nie Symptome. Bei ca. 40 Prozent der Hunde aber werden ineffektive, also nicht schützende Antikörper gebildet. Heften sich diese an den Erreger an, entstehen immer mehr sogenannte Antigen-Antikörper-Komplexe, die dann den eigentlichen Schaden im Körper anrichten und die vielfältigen Symptome auslösen.

Für den Besitzer natürlich am auffallendsten sind die sehr häufigen Hautveränderungen: Haarverlust bis zum stellenweisen Kahlwerden, nicht juckende Hautentzündungen um die Augen („Brillenbildung“), an den Ohrrändern und auf der Nase, seltener auch an den Beinen und am Rumpf, Hyperkeratose (überschießende Hornbildung) an den Ballen und am Nasenspiegel, Krallenveränderungen.

Eine Auflistung weiterer typischer Symptome: Fieber, Leistungsminderung, Apathie, Gewichtsverlust, Lymphknotenschwellungen, Niereninsuffizienz und -versagen, Milzvergrößerung und Lahmheiten durch Gelenk- oder Knochenentzündungen.

Wenn sich für den Tierarzt aus dem klinischen Bild und der Vorgeschichte ein Leishmaniose-Verdacht ergibt, kann man über weitere diagnostische Schritte wie Blutuntersuchungen und Gewebeproben aus Haut, Knochenmark, Lymphknoten und Milz Klarheit schaffen.

Jetzt kommt was Wichtiges: Es wird ja – auch von uns – bei aus dem Mittelmeer-Raum kommenden Hunden schnell mal ein sogenanntes Reisekrankheiten-Profil als Blutuntersuchung durchgeführt. Dabei finden sich natürlich immer wieder Hunde, die einen Leishmaniose-Titer haben, aber keinerlei Symptome zeigen. Diese Tiere sollten NICHT behandelt werden! Es gibt zwei Möglichkeiten: Der Hund ist resistent (wir erinnern uns: das ist keineswegs selten) oder er befindet sich in der sogenannten präklinischen Phase, hat also noch keine Symptome, wird aber irgendwann erkranken. Diese beiden Zustände können mit keinem diagnostischen Verfahren unterschieden werden, so dass die Behandlung eines symptomlosen Hundes keinen Sinn machen würde. Andererseits sollten solche Hunde in relativ kurzen Zeitabständen (alle drei bis sechs Monate) kontrolliert werden, um eventuell entstehende klinische Symptome möglichst frühzeitig zu entdecken.

Ist ein Hund dagegen sero- oder PCR-positiv UND zeigt spezifische Symptome UND/ODER typischerweise veränderte Laborwerte UND/ODER eine Anämie (Blutarmut), sollte eine Therapie eingeleitet werden.

Und gleich noch was Wichtiges: Vor der Einleitung einer Therapie muss verpflichtend eine genaue Aufklärung des Tierbesitzers stehen. Die Prognose muss erläutert werden, und auch die (teilweise nicht unbeträchtlichen) Kosten der Behandlung dürfen nicht unerwähnt bleiben. Es muss dem Besitzer unmissverständlich klar gemacht werden, dass der Hund auch nach erfolgreicher Therapie, also nach Besserung oder Verschwinden der Symptome, lebenslang infiziert bleibt. Es gibt bisher keine bekannte Therapieform, die die Leishmanien vollständig aus dem Körper entfernen könnte, so dass die Möglichkeit von Rückfällen und lebenslange Kontrolluntersuchungen (mit den entsprechenden Kosten) eingerechnet werden muss.

Ich werde im Rahmen dieses Artikels nicht auf die verschiedenen Therapieprotokolle eingehen, da diese für jeden Hund individuell festzulegen sind. Um es anders auszudrücken: Von dieser Brücke fallen wir erst, wenn wir sie erreichen. Wer sich – weil er zum Beispiel einen erkrankten Hund hat oder im Tierschutz in Mittelmeerländern tätig ist – dafür besonders interessiert, der sei verwiesen an die 2005 in Italien gegründete und bezüglich Staging und Therapie maßgebliche LeishVet-Vereinigung, deren Richtlinien im Netz jedermann unter www.leishvet.info zur Verfügung stehen. Schlauer als die Spezialisten dort bin ich auch nicht.

Viel wichtiger ist mir die Prophylaxe! Die beste Leishmaniose ist immer noch die, die sich der Hund nicht einfängt. Und damit sind wir wieder bei den von uns gebetsmühlenartig empfohlenen und pyrethroidhaltigen Spot-On-Präparaten und Halsbändern, denn nur Pyrethroide bringen mit ihrem repellierenden Effekt Mücken zuverlässig vom Stich ab. Alles andere, vor allem das ganze Kokosfett- und Schwarzkümmel-Gedöns, kann man im Zusammenhang mit Phlebotomen gleich wieder vergessen. Und wer auch immer solche Pyrethroid-Präparate stumpfsinnig und reflexartig als unbedingt zu vermeidende „Chemie-Keulen“ bezeichnet, hat noch nie ein Leishmaniose-Therapieschema mit offenen Augen gelesen, denn DAS sind auch in meinen Augen echte (und dann leider unvermeidbare) Chemie-Keulen.

Wer auch immer mit seinem Hund im Schlepptau die Alpen überquert, und sei es nur, um an den Gardasee oder den Lago Maggiore zu fahren, sollte diese Präparate unbedingt anwenden. Aber auch hierzulande ist das Aufrechterhalten eines permanenten Repellens-Schutzes mehr als sinnvoll, denn erstens besteht – wie oben erläutert – die Möglichkeit, dass die Leishmaniose schon hier angekommen ist, zweitens ist diese Krankheit nicht die einzige, die von Vektoren (also Blutsaugern wie Zecken, Flöhen und Mücken) übertragen wird. Die Babesiose beispielsweise hat es der Leishmaniose schon vorgemacht, wie man sich in unseren Breiten festsetzt.

Hält man sich mit Hund in Hochrisikogebieten auf, sollten darüber hinaus weitere prophylaktische Gesichtspunkte beachtet werden. Sandmücken sind (mindestens!) von April bis November von der Abend- bis zur Morgendämmerung aktiv. Zu diesen Zeiten ist der Hund am besten im Haus aufgehoben, idealerweise zusätzlich geschützt von Fliegengittern an Fenstern und Türen. Dabei ist zu beachten, dass Sandmücken aufgrund ihrer geringen Größe durch normale Fliegengitter nicht aufzuhalten sind. Lassen Sie Ihren Hund in den Risikogebieten auf gar keinen Fall im Freien schlafen! Sandmücken mögen keinen Wind und bleiben recht nah am Boden. Die Erfahrungen der Koalitions-Streitkräfte in Afghanistan zeigen, dass eine drei Meter hohe Mauer einen effektiven Schutz gegen Phlebotomen darstellt. Somit ist auch der Aufenthalt im ersten Stock oder noch höher als sicher anzusehen. Der Name der Mücke ist irreführend, da sie sich nicht vorwiegend am Sandstrand aufhält. Neulich habe ich gelesen, dass in der Nähe verfallener Gebäude besonders viele Phlebotomen anzutreffen sein sollen.

Ein letzter Punkt zur Prophylaxe: Es gibt unter der Markenbezeichnung CaniLeish (Hersteller Virbac) einen in Deutschland zugelassenen Impfstoff gegen die Leishmaniose. Hunde, die geimpft werden sollen, müssen sero-negativ (Blutuntersuchung) getestet und über sechs Monate alt sein. Zur Grundimmunisierung werden drei Impfungen im Abstand von drei Wochen verabreicht. Der Impfschutz ist erst vier Wochen nach der letzten Impfung belastbar, was bedeutet, dass mit der Impfung mindestens 10 Wochen vor einem geplanten Urlaub in Risikogebieten begonnen werden muss. Der Impfschutz kann durch jährliche Nachimpfungen erhalten werden. Die von dem Impfstoff induzierte Schutzwirkung gegen Leishmaniose ist auf keinen Fall auf dem gleichen Niveau anzusiedeln wie die von antiviralen Impfungen, sondern verringert das Infektionsrisiko um den Faktor 3,6 bis 4. Das bedeutet, dass man auch bei geimpften Hunden keineswegs die anderen prophylaktischen Maßnahmen vernachlässigen darf. Geimpfte Hunde können übrigens bei serologischen Tests ein positives Leishmaniose-Ergebnis zeigen. Weitere und vor allem herstellerunabhängige Untersuchungen zur Wirksamkeit des Impfstoffes wären wünschenswert.

Fazit: Die Leishmaniose ist ein echtes Ekel-Paket unter den vektorübertragenen Krankheiten, weil sie eine phänomenal lange Inkubationszeit hat, sehr schwierig zu behandeln und in letzter Konsequenz unheilbar ist. Über kurz oder lang ist die Krankheit nicht mehr nur ein Thema für in den Süden reisende Hunde und Tierschutzhunde, die von dort zu uns verbracht werden. Der Sprung über die Alpen ist entweder schon erfolgt oder nur noch eine Frage der Zeit. In Bezug auf die Leishmaniose ist Prophylaxe wirklich alles!

Bleiben Sie uns gewogen, bis bald, Ihr

Ralph Rückert

© Kleintierpraxis Ralph Rückert, Bei den Quellen 16, 89077 Ulm / Söflingen

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