Von Ralph Rückert, Tierarzt
Werbung ist unbestreitbar notwendig, denn: Wer nicht wirbt, der stirbt! Richtig ist aber auch, dass es solche und solche Werbung gibt. Die eine Sorte überhöht die an sich tatsächlich guten Eigenschaften eines Produkts und macht es dadurch begehrenswerter. Ein Beispiel dafür wären die eigentlich immer zu niedrig angegebenen Verbrauchszahlenangaben bei ansonsten ordentlich gebauten Autos. Sowas ist nicht wirklich korrekt, aber man kann ganz gut damit leben.
Die andere Sorte von Werbung aber versucht Ihnen, den Verbraucherinnen und Verbrauchern, Geld aus der Tasche zu ziehen, indem völlig nutz- und funktionslose Produkte, Dienstleistungen oder Verfahren als einzigartig und konkurrenzlos dargestellt werden. Fallen Sie drauf rein, bekommen Sie für Ihr Geld genau gar nix. Sie werden also faktisch betrogen. Es werden Hoffnungen und Erwartungen geweckt, die die beworbene Sache nie und nimmer erfüllen kann. Und natürlich gibt es Nepper, Schlepper und Bauernfänger, die mit solchen Methoden arbeiten, auch in der (Tier)Medizin und in ihrer Peripherie. Wer was anderes glaubt, ist leider naiv! Aber wie erkennt man solches Bullshit-Marketing?
In den Randbereichen der Medizin ist das ja nicht so problematisch. Wann immer Ihnen etwas versprochen wird, was einfach zu gut klingt, um wahr zu sein, wann immer Ihnen Heilsversprechen gemacht werden, die als „Geheimtipp“, „Wunder“ oder sowas in dieser Richtung angepriesen werden, müssen Sie halt Ihren gesunden Menschenverstand einschalten und sich klar machen, dass es nun mal keine „Wundermittel“ wie Zahnstein entfernende „Dentalsprays“, alle Krankheiten heilende Elixiere oder die eine für alle Hunde oder Katzen gleichermaßen geeignete Ernährung gibt.
Schwierig wird es für Laien aber regelmäßig dann, wenn sich Mediziner:innen auf Bullshit-Marketing verlegen. Das ist häufig nicht so einfach zu durchschauen! Schließlich verschafft einem eine Approbationsurkunde einen gewissen Vertrauensvorschuss, der eigentlich (!) nicht missbraucht werden sollte. Was also könnte helfen, damit man als Laie nicht zum Opfer von vom rechten Weg abgekommenen Kolleginnen und Kollegen wird?
Ein annähernd todsicheres Erkennungsmerkmal für Bullshit-Marketing ist die überbetonte Exklusivität: Es geht um Wissen, Fertigkeiten oder Dinge, über die angeblich sonst niemand verfügt. Man behauptet also, dass man abseits des „Mainstreams“ der Medizin (der „Schulmedizin“) und meist durch „intensive persönliche Forschung / Auseinandersetzung“ mit einem bestimmten Thema zu einzigartigen Erkenntnissen, Schlussfolgerungen oder Fähigkeiten gekommen ist und nun allen anderen (die bei dieser Gelegenheit natürlich mehr oder weniger subtil als medizinische Vollpfosten dargestellt werden) eine lange Nase zeigen kann. In den Genuss dieses Geheimwissens oder dieser geheimnisvollen Fähigkeiten können die Tierbesitzer:innen natürlich nur kommen, indem sie teuer dafür bezahlen.
Wenn also beispielsweise
-eine Tierärztin konstatiert, dass hinter einer bei Hunden sehr häufigen Verletzung (Kreuzbandriss) versteckte Ursachen stecken, die einzig und allein sie durchschaut und beheben kann,
-eine andere Kollegin für sich in Anspruch nimmt, den einzig wahren Weg zum gesunden Hund „ohne Antibiotika, Kortison und Schmerzmittel“ gefunden zu haben,
-eine Chirurgin ein recht häufiges Problem mit einer XY-Lala-Technik operiert, die angeblich allen anderen Techniken überlegen, aber kurioserweise in der Fachwelt sonst niemandem bekannt ist,
-ein Kollege im vermeintlich sicheren Wissen, den Stein der Weisen gefunden zu haben, die gesamte Kollegenschaft als verbrecherische und profitgeile Schwachköpfe öffentlich in den Senkel zu stellen versucht,
dann ist das genau das, was ich meine.
Gerne wird dann auch noch – sozusagen als Verzierung des Ganzen – eine penetrant passiv-aggressive Robin-Hood-Verkanntes-Genie-Attitüde an den Tag gelegt, so von wegen „Rächer der Enterbten“ und „Eine(r) gegen alle“.
Nun gibt es unter Ihnen, den Tierbesitzerinnen und Tierbesitzern, zwei verschiedene Grundtypen, was diese Art von Marketing angeht: Die einen laufen sowas nur allzu gern hinterher, wahrscheinlich, weil es auch Ihnen ein Gefühl der Überlegenheit verleiht. Für die schreibe ich diesen Artikel definitiv nicht! Die anderen dagegen fallen tatsächlich in gutem Glauben auf diesen Bullshit rein und werden um ihre Kohle und schlimmstenfalls um die Gesundheit ihrer Tiere (oder – in der Humanmedizin – um die eigene!) gebracht.
Denen sage ich: Es gibt in der wissenschaftlichen (Tier-)Medizin des 21. Jahrhunderts kein exklusives Wissen, keine Geheimtipps und keine niemand sonst bekannten chirurgischen Techniken! Durch die inzwischen so fabelhafte weltweite Vernetzung hat in den Wissenschaften der Mainstream so gut wie immer recht! Natürlich werden täglich neue Erkenntnisse gewonnen. Das medizinische Wissen steigert sich in einem schwindelerregenden Tempo. Das läuft aber ganz sicher nicht im Geheimen ab, sondern völlig korrekt oberhalb der Tischplatte und unter aller Augen. Wer in der Medizin etwas bahnbrechend Neues entdeckt zu haben glaubt, schreibt darüber baldmöglichst einen Artikel und legt diesen mit Belegen seiner Erfolge seinen Kolleginnen und Kollegen vor. Damit gibt er diesen ihm Ebenbürtigen, seinen „Peers“, Gelegenheit, die neuen Erkenntnisse zu überprüfen bzw. nachzuvollziehen. Diesen Prozess nennt man Peer-Review. Damit wird einerseits möglichst zuverlässig sichergestellt, dass unsere wertvollen Patienten nicht von unausgegorenem oder fehlgeleiteten Nonsens an Leib und Leben geschädigt werden, andererseits aber auch, dass neue und wirklich brauchbare Erkenntnisse sich zum allgemeinen Nutzen schnell verbreiten.
Behauptet also eine Medizinerin / ein Mediziner, im Besitz von Wissen und Techniken zu sein, die sonst niemand kennt, und dafür Geld von Ihnen haben will, handelt sie / er entweder unethisch, weil diese Erkenntnisse offenbar nicht geteilt wurden, oder (und viel häufiger!) es handelt sich eben um schlichten Bullshit, der von den Peers, der medizinischen Community entweder abgelehnt oder aus guten Gründen einfach ignoriert wird.
Und noch ein Hinweis: Wann immer eine Medizinerin oder ein Mediziner (ob nun für Mensch oder Tier) den Begriff „Schulmedizin“ gebraucht, um ihre / seine eigene Tätigkeit von eben dieser abzugrenzen, können Sie gleich von vornherein mit hoher Sicherheit davon ausgehen, dass Sie mit bestenfalls unwirksamen, schlimmstenfalls sogar schädlichen Pseudo-Heilverfahren abgezockt werden sollen. Es gibt nur die wissenschaftlich orientierte bzw. evidenzbasierte Medizin (die sich im Übrigen blitzschnell alles unter den Nagel reißt, was wirklich funktioniert) und die Quacksalberei. „Schulmedizin“ ist nichts anderes als ein abwertender und entlarvender Kampfbegriff der Anhänger:innen obskurer und unwirksamer Methoden!
Gut, dann kann ich abschließend mal wieder Olaf Schubert zitieren: „Jetzt wisst Ihr Bescheid! Macht was draus! Was ist Eure Sache, ich kann mich schließlich nicht um alles kümmern!“
Bleiben Sie uns gewogen, bis bald, Ihr
Ralph Rückert
© Ralph Rückert
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