BARF-Menüs? Was soll der Unsinn?

Von Ralph Rückert, Tierarzt

Die Stiftung Warentest hat sich in Ausgabe 6/19 ihres Magazins „test“ mal wieder Hundefutter vorgenommen, in diesem Fall Nassfutter. Wie immer löst das in interessierten Kreisen eine gewisse Wallung aus, weil halt die Ergebnisse und ihr Zustandekommen vielen Leuten nicht in ihr Weltbild passen.

Eine Diskussion des Tests an sich erspare ich mir. Das quasi-religiöse Thema „Ernährung“ gehört (zusammen mit Impfen und Entwurmen) zu den Bereichen, in denen viele Tierärzte (auch ich) einfach keinen Bock mehr haben, Fakten zu liefern, die dann doch wieder entweder ignoriert oder als weltumspannende Verschwörung zwischen Tiermedizin und „Big Pharma“ verdammt werden.

Aber über einen Aspekt des Tests muss man doch mal kurz reden: Alle fünf getesteten sogenannten „BARF-Menüs“ sind unter dem ja nicht ganz unwesentlichen Gesichtspunkt „Bedarfsdeckung“ krachend mit „Mangelhaft“ durchgefallen und bezüglich der mikrobiologischen Qualität gab es zwar ein „Sehr gut“, aber je zweimal nur „Ausreichend“ und „Mangelhaft“. Das deckt sich absolut mit den Aussagen, die wir Tiermediziner von unseren Spezialisten auf diesem Fachgebiet immer wieder zu hören bekommen, nämlich dass über 90 Prozent der untersuchten BARF-Menüs absolut nicht bedarfsdeckend und darüber hinaus meist auch noch mikrobiologisch unter aller Sau sind.

Aus meinem Praxis-Alltag weiß ich, wie viele von Ihnen solche BARF-Menüs verfüttern. Warum tun Sie das? Wollen Sie unbedingt auf der BARF-Welle mitschwimmen, sind aber zu faul, es vernünftig zu machen? Einfache Frage: Was ist denn der wichtigste Vorteil einer selbst zusammengestellten Fütterung, sei sie roh oder gekocht? Richtig, man weiß ganz genau, was der Hund bekommt, und das kann unter bestimmten Umständen (Allergien und Unverträglichkeiten!) tatsächlich eine feine Sache sein.

Verfüttere ich dagegen ein BARF-Menü, gebe ich damit ja genau diesen Vorteil auf. Exakt wie bei jeder x-beliebigen Dose vom Discounter (die bei dem Test übrigens bezüglich der Bedarfsdeckung querbeet mit „Gut“ und „Sehr gut“ abgeschnitten haben) muss ich mehr oder weniger blind auf die Sachkunde und Sorgfalt eines anonymen Herstellers vertrauen. Bei einer Dose kann ich mir allerdings immer und sozusagen automatisch sicher sein, dass die mikrobiologische Qualität in Ordnung ist.

Blindes Vertrauen in die Hersteller von BARF-Menüs ist nach allen mir vorliegenden Informationen aber leider überhaupt nicht anzuraten. Wie gesagt: Mit den meisten dieser Produkte füttern Sie nicht mal ansatzweise bedarfsdeckend, und die Rechnung dafür zahlt irgendwann der Hund.

Wenn Sie die Ration Ihres Hundes selbst zusammenstellen wollen, dann machen Sie das ruhig, aber machen Sie es um Gottes Willen richtig! Erstmal müssen Sie Ahnung haben, was Sie tun. Dazu gehört nun mal ein gewisses Vorwissen, das Sie sich (durchaus mit etwas Mühe!) aneignen müssen. Blindlings irgendwelchen Empfehlungen von selbsternannten Facebook-Experten oder von ebenso selbsternannten bzw. durch einen Wochenendkurs „qualifizierten“ BARF-Beratern nachzulaufen, kann mittel- und langfristig nur in einem Desaster enden, denn wie uns unsere Experten versichern, sind auch über 90 Prozent der von ihnen durchgerechneten und überall zu findenden Fütterungsempfehlungen in Bezug auf korrekte Bedarfsdeckung leider voll neben der Spur.

Wollen Sie sich das notwendige Wissen nicht aneignen, wofür ich durchaus ein gewisses Verständnis hätte, dann kaufen Sie lieber Dosen vom Discounter als irgendwelche BARF-Menüs. Das ist allemal bedarfsdeckender und hygienischer! Sollten Sie aber aufgrund von Allergien und Unverträglichkeiten dazu gezwungen sein, eine selbst zusammengestellte Ration zu verfüttern, dann MÜSSEN Sie sich wirklich qualifizierter Hilfe durch entsprechend spezialisierte Kolleginnen und Kollegen versichern.

Bleiben Sie uns gewogen, bis bald, Ihr

Ralph Rückert

 

© Kleintierpraxis Ralph Rückert, Römerstraße 71, 89077 Ulm

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