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Schwurbelei in der Tiermedizin I: Pseudomedizin? Führen wir nicht!

Von Ralph Rückert, Tierarzt
Redaktioneller Hinweis: Das ist ein – aus aktuellem Anlass, auf den ich erst in Teil II eingehen werde – überarbeiteter Relaunch eines Artikels, den ich schon vor vier Jahren veröffentlicht hatte.
Ich muss da mal kurz was klarstellen, nicht zuletzt, um falsche Erwartungen Ihrerseits zu verhindern, was ja auch in Ihrem Sinne sein sollte, ob Sie meinen Standpunkt nun gut finden oder nicht: Auch wenn ich mich sehr bemühe, meine Patienten nur so viel zu impfen wie nötig, ich aufgrund neuer medizinischer Erkenntnisse ein Problem mit der pauschalen Kastration von Hunden habe und ich mich ganz allgemein als Tierarzt sehe, der nach dem Leitsatz „Primum non nocere“ („In erster Linie nicht schaden“) erst eingreift, wenn es wirklich nötig ist, bin und bleibe ich wissenschaftlicher Tiermediziner mit Leib und Seele. In meiner Praxis gibt es deshalb nur evidenzbasierte, also in ihrer Wirksamkeit bewiesene Tiermedizin, keine Schwurbeleien wie Homöopathie, Bach-Blüten, Schüssler-Salze, Bioresonanz oder sonstigen Humbug.
Warum? Fragen wir mal anders herum: Weshalb kommen Sie mit Ihrem kranken Tier zu mir? Nun, in der Regel, damit ich es wieder gesund mache, eine Krankheit durch Prophylaxe verhindere oder zumindest ein nicht mehr heilbares Leiden lindere. Dafür zahlen Sie mir gutes und oftmals sauer verdientes Geld. In meinen Augen bin ich Ihnen dafür eine medizinische Vorgehensweise schuldig, die wissenschaftlich beweisbar funktioniert. Alles andere wäre ja Betrug an Ihnen, also Quacksalberei, und darüber hinaus ein Vergehen an Ihrem Tier, das sich (wie übrigens auch ein Kind!) nicht selber gegen irgendwelche Spinnereien wehren kann.

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Tiermedizinische Betriebswirtschaft III: Gebührenerhöhung der dritten Art

Von Ralph Rückert, Tierarzt
Dr. Carola Musterfrau ist eine Kollegin von mir, sowohl als Tierärztin als auch als Inhaberin einer langjährig etablierten, mittelgroßen und sehr schönen Praxis. Carola ist Anfang fünfzig, war immer bienenfleißig, vielleicht zeitweise zu fleißig für ihr eigenes Wohl, weil sie – wie so viele Kolleginnen und Kollegen – unter einem ausgeprägten Helfer-Syndrom leidet. Sie genießt diese Phase in ihrem Leben als Tierärztin in vollen Zügen. Das „Fuck-you-Money“ ist auf dem Konto, und sie ist auf dem Höhepunkt ihrer Erfahrung und ihres tiermedizinischen Könnens.
Carola hat aber ein echtes Problem! Sie ist buchstäblich zu erfolgreich! Ihre Praxis – obwohl beileibe noch nie zur „Discount- oder Holzklasse“ gehörend – wird von zu vielen Tierhalter:innen konsultiert, weil sie eine hervorragende Reputation für Sorgfalt, Freundlichkeit, diagnostische Fähigkeiten und vieles mehr genießt. Die Tage, an denen das Fallaufkommen nur mit beträchtlichen Überstunden bewältigt werden kann, werden immer häufiger. Es gibt zunehmendes Gegrummel aus dem Team, und die ständige Hetzerei fängt an, die vormals sehr hohe Arbeitsqualität negativ zu beeinflussen, weil es zu Fehlern kommt, die vormals undenkbar gewesen wären.

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Tiermedizinische Betriebswirtschaft II: Die GOT-Positionen 10, 11 und Z, oder: Zeit ist Geld!

Von Ralph Rückert, Tierarzt
Wie so oft als Einleitung ein Netz-Fundstück, die 1-Sterne-Bewertung einer deutschen Tierarztpraxis:  „Vorsicht, Abzocker! Ich habe wegen ihrem guten Ruf zu dieser Praxis gewechselt, aber als ich neulich beim ersten Besuch mit unserer neuen Fellnase eine Liste mit ein paar Fragen dabei hatte und die mit der Chefin durchgesprochen habe, standen hinterher auf der Rechnung die Posten „Ziffer 11: Eingehende Beratung“ und „Z (Zeitgebühr)“, für zusammen 70,48 Euro plus Märchensteuer!!! Das ist eine bodenlose Frechheit, wir haben uns nur eine halbe Stunde über unser Mäuschen unterhalten. Bei meinem früheren Tierarzt hat das nie was gekostet! Diese Praxis, wo es nur ums Geld geht, nicht um die Tiere, sieht mich jedenfalls nie wieder!“.
Das ist ziemlich typisch. Irgendwo in meinen vielen Bewertungen müsste sich eigentlich auch sowas finden, wenn ich mich richtig erinnere. Die Gebührenordnungsziffern 10: „Beratung im einzelnen Fall ohne Untersuchung (auch schriftlich oder fernmündlich)“, 11: „Eingehende Anamneseerhebung oder Beratung, das gewöhnliche Maß übersteigend, einschließlich eingehender Vorbereitung…“ und Z: „Zeitgebühr“stoßen bei Haustierbesitzer:innen häufig auf irgendwas zwischen empörtem Unverständnis und blankem Entsetzen.

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Die Wegwerf-Katze

Die Wegwerf-Katze

Von Ralph Rückert, Tierarzt, und Johanne Bernick, Tierärztin
Neulich wurde uns ein junger Kater (etwas über ein Jahr alt) vorgestellt, der tags zuvor vom Balkon gesprungen oder gestürzt war und seitdem nicht mehr richtig auf sein rechtes Hinterbein auftreten konnte.
Die allgemeinkörperliche Untersuchung ergab außer einem stress- bzw. schmerzbedingt recht hohen Puls und der schweren Lahmheit hinten rechts keine besonderen Befunde. Bei der Lahmheitsuntersuchung zeigte sich eine so hochgradige Schmerzhaftigkeit im Bereich des rechten Hüftgelenks, dass sich ein weiteres Vorgehen ohne stark schmerzunterdrückende Sedierung von selbst verbat.

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Das geriatrische Vestibularsyndrom des Hundes, kurz und knapp!

Von Ralph Rückert, Tierarzt, und Johanne Bernick, Tierärztin
Wir erhalten von Leserinnen und Lesern unserer Texte regelmäßig Themenvorschläge, die wir natürlich in so eine Art Hit-Liste mit Ideen für künftige Artikel aufnehmen. Erstaunlicherweise führt das geriatrische Vestibularsyndrom diese Liste schon seit längerem mit weitem Abstand an. Also wird es wohl tatsächlich mal Zeit, ein paar Zeilen darüber zu schreiben.
Von selber wären wir wohl eher nicht darauf gekommen, dieses Thema zu bearbeiten, weil es sich beim geriatrischen Vestibularsyndrom um eine aus ärztlicher Sicht wenig herausfordernde Erkrankung handelt, die zwar blitzartig und mit häufig sehr beeindruckenden Symptomen auftritt, sich aber dann – Achtung: Spoiler! – in fast allen Fällen innerhalb relativ kurzer Zeit ganz von selbst wieder gibt.

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Trainee-Programm für vierbeinige Asis: An der Leine - lebenslänglich!

Trainee-Programm für vierbeinige Asis: An der Leine – lebenslänglich!

Von Ralph Rückert, Tierarzt
Gleich mal vorab: Das ist kein wirklich tiermedizinischer Artikel, sondern eine absolut subjektive Meinungsäußerung, geschrieben eher als lebenslanger Hundehalter als als Tierarzt. Sie sehen auch, dass ich als alleiniger Autor genannt bin, weil zum Beispiel meine Co-Autorin und Kollegin Johanne Bernick nicht mit dieser meiner Meinung konform geht. Das finde ich völlig okay, weil auch ich den Text nicht als in Stein gemeißelte Wahrheit, sondern eher als Diskussionsbeitrag sehe.
Ein gewisser Bezug zur Tiermedizin ist allerdings schon gegeben. Ich muss – über die mehr als 30 Jahre meiner Berufserfahrung gesehen – leider feststellen, dass die Zahl der Hunde, die ein unverträgliches bis pathologisches Verhalten gegenüber Artgenossen an den Tag legen, deutlich zugenommen hat. Wir haben es in unserem Praxisalltag heutzutage relativ häufig mit Hunden zu tun, die man nicht ohne beträchtlichen Tumult durch ein Wartezimmer führen kann, in dem sich auch noch andere Hunde befinden. Da stellt sich für mich schon die Frage: Machen wir Hundehalter:innen nicht vielleicht was falsch?

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In eigener Sache und nur bedingt von allgemeinem Interesse: Eine Änderung der Copyright-Handhabung für unsere Blogartikel

In eigener Sache und nur bedingt von allgemeinem Interesse: Eine Änderung der Copyright-Handhabung für unsere Blogartikel

Von Ralph Rückert, Tierarzt
Hm, glatt übersehen! Vor ein paar Tagen hatte der Blog doch tatsächlich seinen zehnjährigen Geburtstag! Am 14. Juni 2012 habe ich meinen ersten Artikel „Ein Plädoyer für den kleinen Hund“ online gestellt. Was anfangs und im Kern bis heute als Informationsangebot, als Aufklärungsmehrwert und als Blick hinter die Kulissen der Tiermedizin für die Kundinnen und Kunden meiner Praxis gedacht war, hat sich dann bald in einer Art und Weise weiter entwickelt, die ich absolut nicht vorhergesehen hatte, mit zeitweise bis zu 100.000 Zugriffen auf den Blog pro Monat.
In dieser ganzen Zeit war ich einerseits bemüht, die Kontrolle über das Copyright für meine Texte im Griff zu behalten, habe aber (aus meiner Sicht) relativ großzügig und völlig kostenlose Nachdruckgenehmigungen erteilt, und zwar speziell an tierbezogene Einrichtungen, die diesen oder jenen Artikel zur Aufklärung ihrer Kundinnen und Kunden in gedruckter Form weitergeben wollten, und an Non-Profit-Periodika diverser Zuchtverbände, die damit einfach und unbürokratisch an vernünftigen redaktionellen Inhalt für ihre Vereinszeitschriften kamen.

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Fünf Minuten Gassi gehen pro Lebensmonat? Vernünftige Regel oder schlichter Unfug?

Fünf Minuten Gassi gehen pro Lebensmonat? Vernünftige Regel oder schlichter Unfug?

Von Ralph Rückert, Tierarzt, und Johanne Bernick, Tierärztin
Kennen Sie wahrscheinlich, oder? Die dringende Ermahnung bzw. „eiserne Regel“, mit einem Welpen bzw. Junghund nur 5 Minuten pro Lebensmonat spazieren zu gehen, bis sich die Epiphysenfugen (Wachstumszonen) der Knochen endgültig geschlossen haben? Haben Sie sich auch gefragt, ob das wirklich Sinn macht und ob Sie gar Ihren Welpen für sein Leben schädigen, wenn Sie sich nicht daran halten? Woher kommt diese Regel und ist da was dran?
Wahrscheinlich (Wahrscheinlich! Keiner weiß es genau!) ist der Keim dieser Empfehlung in einer Untersuchung der amerikanischen National Institutes of Health (NIH) aus den 70ern des vorigen Jahrhunderts zu suchen. Die NIH förderten damals klinische Forschungen zur Hüftdysplasie des Hundes. In einer recht aufsehenerregenden Studie untersuchten Tiermediziner:innen den Effekt von Bewegungsrestriktion auf die Hüftgelenkgesundheit. Der Studienaufbau war geprägt von der für die damalige Zeit typischen und brutalen Bedenkenlosigkeit: Schäferhund-Welpen wurden einfach dauerhaft in kleinen Käfigen gehalten und aufgezogen. Und tatsächlich konnte bewiesen werden, dass solcherart bewegungseingeschränkte Welpen später mit geringerer Wahrscheinlichkeit eine Hüftdysplasie entwickelten als Welpen, die sich frei bewegen konnten.

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Die neue Tierschutzhundeverordnung: Kontrollierte Hundezucht ist keine Qualzucht!? Echt jetzt?

Die neue Tierschutzhundeverordnung: Kontrollierte Hundezucht ist keine Qualzucht!? Echt jetzt?

Von Ralph Rückert, Tierarzt, und Johanne Bernick, Tierärztin
Obwohl die neue Tierschutzhundeverordnung bereits zum Jahreswechsel in Kraft gesetzt wurde und ihr Inhalt dem Verband für das Deutsche Hundewesen VDH und seinen angeschlossenen Rassehundevereinen schon lange zuvor bekannt gewesen sein dürfte, war das Entsetzen grenzenlos, als das Veterinäramt Erfurt für die ebendort Anfang Mai stattfindende Hundeshow auf dieser Verordnung basierende und weitreichende Zulassungsbeschränkungen verfügte und auch durchsetzte. Von ursprünglich 4000 Anmeldungen wurden 2400 schon im Vorfeld wegen dieser Anordnungen wieder zurückgezogen.
Man war wohl seitens des VDH und seiner Vereine von einem „Wird nicht so heiß gegessen, wie es gekocht wird“, von einer Fortsetzung des Status quo bei weiterhin bestehendem gesellschaftlichem und politischem Desinteresse an den durch die vereinsorganisierte Hundezucht zu verantwortenden Fehlentwicklungen (man könnte auch sagen: Sauereien!) ausgegangen. Diese Erwartung wurde bitter enttäuscht. Entsprechend groß ist natürlich nun die Aufregung.

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Von Mundhöhlensanierungen

Von Mundhöhlensanierungen, alten Tieren und (Risiko-)Narkosen

Von Ralph Rückert, Tierarzt, und Johanne Bernick, Tierärztin
Schaut man sich die ersten beiden Bilder von Hundezähnen vor und nach der professionellen Zahnreinigung an, könnte einem – wenn man denn alt genug ist – ein locker 50 Jahre alter Gag von Otto einfallen: „Dip, dip, dip in the wiz, wiz, wiz, in the water, in the water – clean!“
Schön wäre es, wenn das so einfach wäre! Zwischen den beiden durch die Fotos dokumentierten Zuständen liegen alles in allem mehr als zwei Stunden Arbeit für a) eine Tierärztin / einen Tierarzt, b) eine Prophylaxe-Fachkraft und c) eine Tiermedizinische Fachangestellte, die die Narkose überwacht und protokolliert. Der Vorgang ist von „mal schnell Zahnstein wegmachen“ so weit entfernt wie ein warmes, knuspriges Handwerksbauernbrot vom Discounter-Schnittbrot aus dem Folienbeutel. Noch deutlicher wird das bei den so bedauerlich häufig von Resorptivläsionen (FORL) gequälten Katzen. Da kann es durchaus passieren, dass eine dreistündige Narkose gar nicht reicht, um eine schmerzfreie Mundhöhle herzustellen, und ein zweiter Termin vereinbart werden muss.
Narkosen für zahnmedizinische Rundumsanierungen sind also alles andere als ein Pappenstiel, gerade was die Narkosedauer angeht, die die für zum Beispiel die meisten Bauchoperationen bei weitem übertrifft. Da kann man als Tierbesitzer:in natürlich schon Fracksausen bekommen, auch und gerade, wenn es um einen Hund oder eine Katze in höherem Alter geht. Genau das ist aber sehr häufig der Fall, denn Zahnsteinansatz, Parodontitis und FORL betreffen ja nicht nur, aber vorwiegend ältere Tiere.

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