Von Ralph Rückert, Tierarzt
Es ist in der heutigen Zeit fast nicht zu glauben, aber es tauchen immer wieder Katzenbesitzer in meiner Praxis auf, die aufgrund des Ratschlags eines Gynäkologen ihre Katze(n) abgeben oder gar einschläfern lassen wollen, um ein Schwangerschaftsrisiko durch die Toxoplasmose zu vermeiden. Man könnte glatt in die Tischkante beißen ob der mangelnden Sachkenntnis und Ignoranz mancher Humankollegen, die hinter solch hanebüchenen Ratschlägen steckt.
Aber auch aus der Verwandtschaft und Bekanntschaft bekommen schwangere Frauen oft Druck, die Katze(n) als Risikofaktor zu eliminieren. Dieser im Sinne einer kompakten Informationsvermittlung absichtlich kurz gehaltene Artikel soll da mal einige Tatsachen ins rechte Licht rücken. Ich stütze mich dabei hauptsächlich auf die Arbeit „Toxoplasmose unter dem besonderen Aspekt der Gefährdung schwangerer Frauen und der Bedeutung von Katzen im Haushalt – Wie kann man sich schützen?“ von Kollege Nikola Pantchev, dem ob seiner profunden Sachkenntnis hochangesehenen Chefparasitologen von Idexx VetMedLabor.
Der Parasit Toxoplasma gondii kann bei einer Ansteckung während der Schwangerschaft zu einer intrauterinen Infektion des Kindes führen, mit schwerwiegenden Folgen, die sich von minimalen Augen- oder Hirnschäden bis hin zu schwersten geistigen Behinderungen erstrecken können. Anstecken können sich aber nur Frauen, die nicht zuvor schon einmal von Toxoplasmen infiziert wurden und deshalb keine Antikörper haben. Frauen, die einen Antikörper-Titer aufweisen, werden den Parasiten bei einer erneuten Infektion während der Schwangerschaft nicht auf das Kind übertragen. Frauen mit Kinderwunsch sollten deshalb auf jeden Fall ihren Antikörper-Titer bestimmen lassen.
Über den Daumen gepeilt hat die Hälfte aller Frauen einen Toxoplasmose-Titer und ist damit von vornherein aus dem Schneider. Wenn wir mal von 800 000 Schwangerschaften pro Jahr in Deutschland ausgehen (die Zahl ist zu hoch, es rechnet sich aber einfacher mit ihr), bleiben also 400 000 Schwangerschaften, für die eine Toxoplasmose-Infektion ein Risiko darstellen würde. Bei etwa einem Prozent, also in 4000 Fällen, kommt es im Verlauf der Schwangerschaft zur sogenannten Serokonversion, also einer aktuellen Ansteckung der Mutter mit Toxoplasmen. In der Hälfte dieser Fälle (2000) wird das Kind intrauterin infiziert. Davon sind aber wiederum die allermeisten Fälle zum Zeitpunkt der Geburt ohne offensichtliche Symptome, so dass es in Deutschland pro Jahr nur zu 20 bis 40 gemeldeten neonatalen Toxoplasmosen kommt.
Das ist sehr wenig, das relative Risiko also extrem gering. Es werden mit Sicherheit bei weitem mehr ungeborene Kinder durch Alkohol-, Drogen- oder Nikotinmissbrauch geschädigt. Für die wenigen Betroffenen aber ist es eine schreckliche Katastrophe, weshalb sich die Frage stellt, wie man sich schützen kann. Ist da immer die Katze schuld? Mitnichten!
Insgesamt wird die Katze als Infektionsquelle weit überschätzt, während andere Infektionsmöglichkeiten entweder unterschätzt werden oder gar nicht bekannt sind. Bis zu 92 Prozent aller auf der Weide gehaltenen Schafe und Ziegen sind mit Zysten des Erregers infiziert. Das gleiche gilt für 6 bis 12 Prozent der Schweine. Auch Geflügelfleisch kann infiziert sein. Rinder dagegen sind resistent. Für Schwangere ohne Antikörper-Titer sollte also der Verzehr von nicht vollständig durchgegartem Fleisch absolut tabu sein, mit der Ausnahme Rind. Denken Sie daran, wenn Sie im Restaurant ein schönes Lammfilet bestellen. Nach den Regeln der guten Küche ist das innen noch schön rosa, also keineswegs durchgegart.
Bei der Verarbeitung und Zubereitung von rohem Fleisch sollten Schwangere besondere Vorsicht und Hygiene walten lassen. Immer die Hände mit warmem Wasser und Seife gründlich waschen und auch auf die sorgfältige Reinigung der Kücheninstrumente und Arbeitsflächen achten! An dieser Stelle können wir jetzt gut zum Hund überleiten, denn das gilt auch und besonders für die vielen Hundebesitzerinnen, die ihre Hunde roh füttern und viel Zeit mit der Zerkleinerung der Hundenahrung verbringen. Vergessen Sie auch die häufige und penible Reinigung des Hundenapfes nicht.
Der Hund an sich ist eine der am meisten unterschätzten bzw. gleich ganz unbekannten Toxoplasmose-Infektionsquellen. Es gibt sogar eine Studie, die nahelegt, dass Hunde ein höheres Infektionsrisiko darstellen als Katzen. Viele Hunde fressen Katzenkot. Enthält dieser sporulierte (also infektionsfähige) Toxoplasma-Oozysten, scheidet er diese zum größten Teil mit dem Kot wieder aus. Ebenso kann das Wälzen in Katzenkot zur Einschleppung von Oozysten im Fell führen.
Des weiteren wurden Toxoplasmosen beim Menschen nach dem Genuss von unpasteurisierter, frischer Ziegenmilch nachgewiesen. Gefährdete Schwangere sollten unpasteurisierte Milch pauschal meiden.
Ein großes Risiko kann mit Oozysten kontaminierte Erde bei der Gartenarbeit darstellen. Schwangere Frauen sollten dabei Handschuhe tragen und danach die Hände sorgfältig waschen. Das Gleiche gilt nach dem Besuch von Spielplätzen, da Katzen gern und häufig in Sandkästen koten. Ebenso ist eine Ansteckung durch das Einatmen von aufgewirbeltem Staub möglich. Ein solcher Fall ist schon einmal für einen Pferdestall nachgewiesen worden, was für schwangere Reiterinnen von Interesse sein mag.
Ein ganz wichtiger Infektionsweg scheint der Verzehr von unzureichend gewaschenem Obst und Gemüse zu sein, denn auch bei rein vegetarisch lebenden Menschen konnten bei 47 Prozent Antikörper gegen Toxoplasmose nachgewiesen werden. Der in Veganer-Kreisen kursierende Ratschlag, Gemüse zur Vermeidung bestimmter Mangelzustände ungewaschen zu verzehren, muss in diesem Zusammenhang sehr kritisch gesehen werden.
Zuletzt kommen wir zur Katze, die – wie wir gesehen haben – fälschlicherweise für die hauptsächliche Infektionsquelle gehalten wird. Scheidet eine Katze keine Oozysten aus, kann man sich auch nicht an ihr anstecken. Oozysten kommen nur im Kot vor, nicht aber in anderen Se- und Exkreten wie Speichel oder Harn. Im Fell haftende infektionsfähige Oozysten wurden ebenfalls noch nie nachgewiesen, so dass man vor dem Streicheln einer Katze keine Angst haben muss.
Die Pflege und Sauberhaltung der Katzentoilette(n) sollte eine gefährdete schwangere Frau anderen Personen überlassen. Besonders wichtig dabei ist die Tatsache, dass frisch ausgeschiedene Oozysten erst nach etwa 24 Stunden bei Raumtemperatur sporulieren und damit infektionsfähig werden. Mit einer mindestens (!) einmal täglich erfolgenden gründlichen Reinigung der Katzentoilette(n) kann ein Kontakt mit infektiösem Material also effektiv verhindert werden.
Wenn alle diese Informationen nicht ausreichen, um Sie zu beruhigen, und Sie für Ihre Seelenruhe jedes auch noch so kleine Restrisiko ausschließen möchten, so können wir Ihnen eine effektive diagnostische Vorgehensweise empfehlen, mit der sehr sicher herausgefunden werden kann, ob eine Katze überhaupt ein Infektionsrisiko darstellt. Dabei werden sowohl eine Kot- als auch eine Blutprobe untersucht. Zu erläutern, wie das genau gemacht und ausgewertet wird, würde in diesem Artikel zu weit führen. Sprechen Sie uns einfach bei Bedarf an.
So, ich hoffe, dass Sie jetzt die besprochenen Risiken realistisch einstufen können und dementsprechend gegen unhaltbare Ratschläge besser gewappnet sind.
Bleiben Sie uns gewogen, bis bald, Ihr
Ralph Rückert
© Kleintierpraxis Ralph Rückert, Römerstraße 71, 89077 Ulm
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