Der Kunde ist König! Ja, schon, aber…

Von Ralph Rückert, Tierarzt

Im Gegensatz zu früher, als man zu diesem Zweck noch mit großem Aufwand Kundenbefragungen durchführen musste, ist es heutzutage für Tierärzte kein großes Problem mehr herauszufinden, wo die Kunden denn so der Schuh drückt. Man muss sich dazu eigentlich nur in genug mit Tiergesundheit befassten Foren und Facebook-Gruppen herumtreiben. Dort wird (natürlich neben viel unsinnigem Pauschal-Gemeckere) durchaus auch berechtigte Kritik an bestimmten und in unserem Berufsstand üblichen Verhaltensweisen geübt, die einem selbst oftmals gar nicht so bewusst sind. Ich bemühe mich sehr, solche „Problemzonen“ zu identifizieren und meine Praxis entsprechend auszurichten. In diesem Artikel möchte ich mir jedoch ausnahmsweise erlauben, den Spieß mal umzudrehen und Ihnen zu erläutern, was Sie als König Kunde tun können, um uns das Leben ein wenig leichter zu machen.

Eines der größten Probleme in einer Tierarztpraxis ist der ständige Kampf gegen die Verschmutzung. Das liegt in der Natur der Sache. Sie können aber durchaus dazu beitragen, dass dieser Kampf nicht Formen annimmt, die uns von unserer eigentlichen Tätigkeit abhalten. Machen Sie sich bitte keine Gedanken über für uns völlig normale und alltägliche Dinge: Tiere haaren nun mal und beim Tierarzt meist besonders heftig. Sie können auch so nervös oder ängstlich sein, dass es zu unerwartetem Kot- oder Harnabsatz kommt. Das ist alles kein Problem. Wirklich!

Oder doch? Na ja, es ist uns natürlich bewusst, dass es unter Rüden wahre Meister darin gibt, sich sozusagen im Vorbeiflug an jeder Ecke (auch in geschlossenen Räumen) mit ein paar Spritzern Harn zu verewigen. Wenn Sie so einen Blitzpinkler Ihr eigen nennen, sind wir Ihnen sehr dankbar, wenn Sie das irgendwie zu verhindern wissen. Boden- und Wandbeläge können noch so widerstandsfähig gewählt sein, aber das hält die beste Ecke nicht lange aus.

Auch müssen weder Sie noch Ihr Tier für einen Tierarztbesuch wie aus dem Ei gepellt sein. Aber bitte: Es ist nicht sehr sinnvoll, wenn Sie in direktem Anschluss nach einem ausgiebigen Spaziergang über regengepeitschte November-Äcker mit völlig verschlammten Gummistiefeln und einem bis zu den Ohrspitzen eingesauten Hund zu einem Routinetermin zu uns kommen. Das führt nämlich regelmäßig dazu, dass wir nach Ihrem Besuch erst mal vom Eingang bis zum Sprechzimmer alles durchwischen und oftmals auch noch unsere Kleidung wechseln müssen, um sowohl die Räumlichkeiten als auch uns wieder präsentabel zu machen. Davon abgesehen ist ein völlig verschmutzter Hund einer sorgfältigen Untersuchung und Behandlung alles andere als zuträglich.

Hunde dürfen bei uns – wenn das Wartezimmer nicht gerade voll besetzt ist – sehr wohl mit auf unseren Sofas sitzen. Die dabei zurückbleibenden Haare machen wir hinterher gerne wieder weg, kein Problem. Ist Ihr Hund aber nass oder stark verschmutzt, verlassen wir uns schon ein wenig auf Ihren gesunden Menschenverstand. Sollte Ihr Hund zu den Rassen gehören, die ständig stark sabbern, kann er gerne auch aufs Sofa, aber legen Sie dann doch bitte eine der von uns bereitgestellten und gut waschbaren Decken unter.

Kommen wir zum Thema Kinder! Huch, werden Sie denken, jetzt outet er sich auch noch als Kinderfeind! Nein, nichts könnte falscher sein, ich bin schließlich selbst Vater. Ich freue mich darüber und finde es in der Regel auch völlig richtig, wenn Kinder mit zum Tierarzt gehen. Die meisten Kinder von Tierhaltern werden später selber Tiere besitzen, also gehören Tierarztbesuche fast schon zu einer vollständigen Erziehung. Nichtsdestotrotz gibt es in diesem Zusammenhang einige Sachen, die uns Probleme machen.

Eines der wesentlichsten Elemente eines Tierarztbesuches und im Interesse beider Seiten enorm wichtig ist eine funktionierende Kommunikation. Ich muss eine Verbindung zu Ihnen als Tierhalter aufbauen und hochkonzentriert so lange halten, bis ich die für Sie nötigen Informationen zum Zustand Ihres Tieres rübergebracht habe. Das ist viel schwerer, als Sie sich vorstellen können. So muss ich von einem Kunden zum nächsten in Bezug auf meinen Kommunikationsstil oft völlig umschalten. Ich muss ständig überprüfen, ob das, was ich sage, auch verständlich ist und bei Ihnen richtig ankommt, und das in dem ständigen Bewusstsein, dass es sich meist um sehr wichtige Informationen handelt. Wir reden schließlich nicht nur über ein Paar neue Schuhe. Wenn wir aber bei diesem Vorgang ständig von Kindern unterbrochen werden, die entweder einfach dazwischen reden oder aber permanent damit beschäftigt sind, den Behandlungsraum inklusive meist sehr teurer Gerätschaften mit den Fingern zu erkunden, dann habe ich eigentlich keine realistische Chance mehr, meinen Auftrag sinnvoll zu erfüllen.

Ich denke, es liegt an Ihnen als Eltern, die Lage vorher ein wenig einzuschätzen. Sie müssen die Dringlichkeit und Wichtigkeit des Falles und die Eigenarten Ihrer Kinder irgendwie gegeneinander abwägen. Es ist für mich absolut kein Problem, im Rahmen eines Routinevorgangs wie Impfen auch auf recht extrovertierte Kinder einzugehen. Wenn Sie mich aber mit einem absehbar schwerwiegenden Problem aufsuchen und gleichzeitig wissen, dass Ihre Kinder (noch) nicht in der Lage sind, mich konzentriert arbeiten und uns ungestört kommunizieren zu lassen, dann wäre zu überlegen, die Kids vielleicht nicht mit in die Praxis oder wenigstens nicht mit ins Behandlungszimmer zu nehmen.

Das gilt auch für Fälle, wo es – gerade für Kinder – zu sehr traumatischen Erfahrungen kommen kann. Es ist extrem problematisch, wenn nicht sogar unmöglich, Ihnen zum Beispiel in klaren Worten mitzuteilen, dass ich in diesem Fall eine Euthanasie des Tieres für angebracht halte, wenn neben Ihnen ein zehnjähriges Kind steht, das mich mit großen und ungläubigen Augen anschaut. Kinder sollen durchaus auch an die schwierigen Aspekte der Tierhaltung herangeführt werden, aber bitte behutsam und entsprechend ihrer Möglichkeiten, nicht im Sinne einer Schocktherapie.

Jedes Verständnis hört bei mir auf, wenn in der Hoffnung auf eine Reduktion von Behandlungsgebühren Kinder als psychologisches Druckmittel mir gegenüber benutzt bzw. missbraucht werden. Ich finde es nachgerade widerlich, wenn ich die für einen bestimmten Fall zur Verfügung stehenden Behandlungsoptionen erläutere und ein Kind, das ob der Erkrankung des geliebten Tieres sowieso schon den Tränen nahe ist, dann von einem Elternteil maximal passiv-aggressiv in dem Sinne angesprochen wird, dass das alles jetzt ja wohl ein wenig zu viel fürs Taschengeld würde und ob es nicht vielleicht besser wäre, das Tier töten zu lassen. Ich sag’s wie’s ist: Das ist in meinen Augen emotionaler Kindesmissbrauch! Wenn jemand sowas macht, ist er ab diesem Moment in meiner Praxis nicht mehr erwünscht.

Und wenn wir damit schon so halbwegs beim Thema Behandlungsgebühren angekommen sind: Sollte es bei Ihnen gerade in finanzieller Hinsicht klemmen, dann sprechen Sie das bitte an, bevor ich tätig werde, und nicht erst danach. Meine geistige Grundhaltung hat zu sein, Ihrem Tier die bestmögliche Diagnostik und Therapie zukommen zu lassen. Ich bin nicht dafür zuständig, mir schon mal prophylaktisch Gedanken über Ihre finanzielle Situation zu machen, was ja auch wahrsagerische Fähigkeiten voraussetzen würde, über die ich nun mal nicht verfüge. Wenn es also Grenzen gibt, die Sie einfach nicht überschreiten können, ohne dass es ans Eingemachte geht, dann müssen Sie das uns gegenüber vorab und offen ansprechen.

Last but not least ein zwar banaler, aber nichtsdestotrotz ziemlich nerviger Punkt: Mobiltelefone! Ich habe absolut kein Problem damit, wenn mitten im Gespräch mit Ihnen plötzlich Ihr Smartphone losjodelt. Kann passieren, geht mir oft genug genau so. Den Anruf dann aber tatsächlich anzunehmen und in meiner Anwesenheit minutenlang zu telefonieren, empfinde ich schon als recht krasse Missachtung meiner Person. Sie können das machen. Sie sind schließlich König Kunde. Sie müssen aber damit rechnen, dass ich bei solchen Gelegenheiten sofort meine geistige Stoppuhr anwerfe und pro Minute vier Euro netto auf Ihre Rechnung aufschlage.

Ach ja, über das für uns wirklich schlimme Ärgernis vereinbarter und dann nicht eingehaltener Behandlungs- und OP-Termine wollte ich ja auch noch schreiben, aber das habe ich hier ja schon mal ausführlich getan.

Sollten Sie sich durch einen oder mehrere Punkte angesprochen fühlen, dann seien Sie nicht verschnupft. Es geht mir – mit Ausnahme des erwähnten emotionalen Kindesmissbrauchs – nicht um eine Kundenschelte, sondern darum, Ihnen Problembereiche aus unserer Sicht zu erläutern, die Ihnen bislang vielleicht gar nicht als solche bewusst waren und die sich meiner Meinung nach ganz einfach ändern lassen, was wiederum uns das Leben deutlich erleichtert.

Bleiben Sie uns gewogen, bis bald, Ihr

Ralph Rückert

 

© Kleintierpraxis Ralph Rückert, Römerstraße 71, 89077 Ulm

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