Von Ralph Rückert, Tierarzt
Viele Hunde- und Katzenhalter denken entweder nicht daran oder sind nicht dazu in der Lage, die Mundhöhle ihres Tieres auf regelmäßiger Basis genau zu inspizieren. Deshalb werden einem als Tierarzt so viele Patienten mit bedauerlich schlechtem Gebisszustand vorgestellt. Nun entwickeln sich Erkrankungen der Zähne und des Zahnhalteapparates halbwegs langsam, so dass man die Möglichkeit hat, dem Tierarzt die entsprechenden Kontrollen zu überlassen. Anders sieht es aber bezüglich der leider nicht so seltenen und gern bestürzend schnell wachsenden Tumore der Mundhöhle aus. Diese werden meist erst in einem fortgeschrittenen Stadium bemerkt, so dass in vielen Fällen jede Hilfe zu spät kommt.
Auf dem Bild sehen wir zwei sogenannte Epuliden (Einzahl: Epulis). Epuliden sind sehr häufige und aus chronischen Entzündungen entstehende Zahnfleischwucherungen, die sich dankenswerterweise nicht wirklich bösartig verhalten und recht einfach entfernt werden können. Manche von ihnen können den Kieferknochen erfassen, was dann eine erfolgreiche Resektion erschwert. Sie bilden aber im Gegensatz zu den echten malignen (bösartigen) Tumoren der Mundhöhle immerhin keine Metastasen (Tochtergeschwülste).
Ob man es aber wirklich nur mit Epuliden – und nicht mit Schlimmerem – zu tun hat, ergibt sich erst aus einer Gewebeprobe. Deshalb sollte auch beim Verdacht „nur“ auf Epuliden zügig etwas unternommen werden. Übrigens: Die Hunderasse, die querbeet eine geradezu extreme Neigung zur Bildung von Epuliden zeigt, ist der Deutsche Boxer. Die Besitzer eines Boxers sollten deshalb sehr häufig die Mundhöhle ihres Hundes kontrollieren.
Letztendlich gilt das aber auch für alle anderen Hunde- und Katzenbesitzer. Nur eine sehr regelmäßige Inspektion der Mundhöhle kann im Falle einer bösartigen Tumorerkrankung für frühzeitige Entdeckung und damit eine eventuell über Leben und Tod entscheidende Chancenverbesserung sorgen. Leider ist das oft leichter gesagt als getan. So einige Hunde und sehr viele Katzen zeigen sich wenig kooperativ, wenn es darum geht, sich geduldig in die Futterluke gucken zu lassen. Wohl dem, der seinen Welpen frühzeitig daran gewöhnt hat.
Eine echte Lösung habe ich für dieses Früherkennungsdefizit auch nicht anzubieten. Natürlich ist es sinnvoll – gerade was die Zähne angeht – den Tierarzt öfter mal die Mundhöhle des Haustieres gründlich untersuchen zu lassen. Eine wirkliche Vorsorge bezüglich der meist dramatisch schnell wachsenden bösartigen Mundhöhlentumore von Hund und Katze stellt aber auch das leider nicht dar. Haben Sie also Hunde oder Katzen, die sich aus gutmütiger Veranlagung heraus oder als Folge konsequenter Erziehung bereitwillig den Schnabel aufsperren lassen, dann nützen Sie das bitte auch regelmäßig aus.
Wie schon erwähnt, sind Mundhöhlentumore bei beiden Tierarten keineswegs selten. Und sie sind eben leider häufig bösartig, bei der Katze zu 90, beim Hund zu 50 Prozent! Von den Problemen einer vollständigen Entfernung in diesem anatomisch komplizierten Gebiet mal ganz abgesehen, haben viele dieser Tumore zum Zeitpunkt der Entdeckung bereits gestreut, also Tochtergeschwülste (Metastasen) in anderen Organen verursacht.
Denken Sie also bei Problemen mit der Futteraufnahme, bei auffallend fiesem Mundgeruch oder gar bei Blutungen aus der Mundhöhle immer auch an die Möglichkeit eines bösartigen Tumors!
Bleiben Sie uns gewogen, bis bald, Ihr
Ralph Rückert
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