Bully-Bashing, oder: Die Qualzucht-Rassen Französische Bulldogge, Englische Bulldogge und Mops

Von Ralph Rückert, Tierarzt

Bully-Bashing! Ich habe den Begriff erst neulich im Rahmen einer Diskussion auf Facebook zum ersten Mal gelesen. Manche Fans der Französischen Bulldogge bezeichnen damit offenbar (natürlich in abwertender Absicht) die in letzter Zeit immer mehr zunehmende Diskussion um tierschutzethische Gesichtspunkte der Zucht und Haltung von Französischen Bulldoggen und anderen Brachycephalen wie dem Mops oder der Englischen Bulldogge.

Oft kann man auch klagende Fragen wie diese lesen: „Warum schießen sich gerade alle auf den Frenchie ein?“. Ja, warum wird die Diskussion aktuell gerade so intensiv? Das wird wohl nicht zuletzt daran liegen, dass der Tierärzteschaft und ihrer zentralen berufsständischen Organisation, der Bundestierärztekammer (BTK), nach Jahrzehnten fruchtloser Bemühungen nun endlich der Geduldsfaden gerissen ist. Jegliche Appelle an die Vernunft, unzählige Round-Table-Gespräche und Podiumsdiskussionen haben auf Seiten der vereinsorganisierten Hundezucht zu keinem erkennbaren Umdenken geführt. Ganz im Gegenteil wird der gesundheitliche Ruin vieler Rassen ungehemmt weiter betrieben.

Ja, es stimmt, viele Rassen, nicht nur die Brachycephalen, haben genetisch angelegte gesundheitliche Probleme, eine Tatsache, die gerne und lautstark von den (vermeintlichen!) Verteidigern der Plattnasen ins Feld geführt wird. Es stellt sich nur die Frage, inwiefern solche Relativierungsbemühungen die Lage der Brachycephalen verbessern sollen. Außerdem müssen wir schon noch unterscheiden zwischen eventuell im Lauf des Lebens auftretenden gesundheitlichen Problemen (wie zum Beispiel einer Arthrose) und definitiven Qualzuchtmerkmalen, die einem Hund mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit und mehr oder weniger von Geburt an ein artgerechtes Dasein unmöglich machen.

Was die Plattnasen angeht, reden wir – nicht nur, aber in erster Linie – über die Atmungsorgane. Wir alle müssen atmen, aber es sollte wohl offensichtlich sein, dass kaum ein Tier mehr auf viel Luft angewiesen ist als der Hetzjäger, das Nasentier Hund. Und ausgerechnet beim Hund hat menschliche Hybris – gekoppelt mit einer geradezu aberwitzigen Betonung allein äußerlicher Merkmale – innerhalb weniger als eines Jahrhunderts dazu geführt, dass wir nun mit dem Franzosen, dem Engländer und dem Mops Rassen sehen, die in vielen Fällen noch nicht mal im Schlaf genug Luft bekommen und die mit einem geradezu absurd anmutenden, von den Vereinen ausgeklügelten „Belastungstest“ Ihre Zuchteignung dadurch unter Beweis stellen sollen, dass sie einen Kilometer (1000 Meter!) schneller als eine Person am Rollator zurücklegen können, ohne dabei aufzugeben oder umzukippen. Anmerkung: Achtung! Im letzten Satz kam das Stilmittel der satirischen Übertreibung zur Anwendung!

Schauen wir uns mal die geradezu schockierenden Zahlen an, die Prof. Gerhard U. Oechtering bei einer Umfrage unter Plattnasenbesitzern, die mit ihren Hunden zur Operation des Brachycephalen-Syndroms an die Uniklinik Leipzig überwiesen worden waren, ermittelt und 2013 veröffentlicht hat:

56 % der Hundebesitzer gaben an, dass ihr Hund Atemprobleme beim Schlafen hat (!)

24 % der Hunde versuchen im Sitzen zu schlafen, weil sie sonst keine Luft bekommen (!)

11 % haben Erstickungsanfälle im Schlaf (!)

77 % haben Probleme beim Fressen (!)

46 % erbrechen oder regurgitieren mehr als einmal am Tag (!)

36 % sind schon einmal vor Atemnot umgefallen, über die Hälfte von ihnen hat dabei das Bewusstsein verloren (!)

Wo immer man dieses Thema diskutiert, melden sich sofort unzählige Halter der drei genannten Rassen und beteuern, dass man nur einen guten Züchter finden müsse und der eigene Hund kerngesund und „frei atmend“ wäre. Manche versteigen sich gar zu Berichten, dass der eigene „Sport-Mops“ kilometerweit mit dem galoppierenden Pferd mithalten würde.

Wenn auch meine Bullshit-Warnanzeige bei solchen (natürlich unüberprüfbaren) Behauptungen weit in den roten Bereich ausschlägt, so führt es in Diskussionen meist nicht weiter, irgend jemand der Lüge zu bezichtigen. Zweifellos gibt es Möpse und Bulldoggen, bei denen durch ein Zusammenwirken von Glück und Zufall die deformierten Atemwege sich irgendwie so arrangiert haben, dass halbwegs genug Luft durchkommt. Das ändert jedoch nichts an den oben angeführten Zahlen, denen man der Vollständigkeit halber und zur weiteren Betonung der Absurdität der Sachlage noch hinzufügen sollte, dass bis zu 80 Prozent der Tiere schnittentbunden werden müssen, also ohne Hilfe der Tiermedizin erst gar nicht lebend auf die Welt kämen. Nochmal im Klartext: Die Fortpflanzung dieser Rassen käme zu einer sofortigen, quietschenden Vollbremsung, wenn es den Kaiserschnitt nicht gäbe!

Auch die Erfahrungen aus der eigenen Praxis widersprechen den so zahlreichen wie märchenhaften Berichten von „kerngesunden“ Bulldoggen und Möpsen. Ich kenne nur ein paar wenige, die halbwegs gut Luft bekommen, die noch keinen Bandscheibenvorfall hinter sich haben oder nicht unter schwersten Hautproblemen leiden. Aber auch für diese glücklichen Exemplare gilt: Schaut man sich die Schädelform an und hat man das logische Denken noch nicht völlig aufgegeben, dann muss doch wohl sonnenklar sein, dass die von Mutter Natur für einen Hund vorgesehenen Atmungsorgane da einfach nicht reinpassen können. Selbst eine Plattnase, die nicht permanent mit offenem Mund nach Luft ringt, also das sogenannte Bully-Grinsen zeigt, hat definitiv völlig deformierte Nasenmuscheln, die ihren so immens wichtigen Aufgaben (Befeuchtung, Erwärmung oder Abkühlung der Atemluft) allenfalls marginal nachkommen können.

Zitieren wir nochmal Prof. Oechtering: „Extreme Brachycephalie ist eine menschengemachte Erbkrankheit, die zu schweren und lebenslang anhaltenden gesundheitlichen Schäden führt. Diese gezielte Umformung des Hundeschädels hat zu Deformationen an allen oberen Atemwegen, dem Gebiss, dem Mittelohr, den Augen und dem Gehirn geführt. Die Veränderungen werden unter dem Begriff Brachycephales Syndrom (BS) zusammengefasst. Fast alle Züchter, viele Besitzer und zu viele Tierärzte verharmlosen die Atemprobleme beim BS. Atemnot wird von Mensch und Tier immer als Lebensbedrohung empfunden.“ Man beachte bitte diesen letzten Satz, der so schlicht wie wahr ist!

Prof. Oechtering benennt hier ganz zutreffend die drei interessierten Parteien: Die Züchter, die Besitzer und die Tierärzte.

– Was ist mit den Tierärzten? Manche (oder zu viele?) machen leider tatsächlich das, was Prof. Oechtering ihnen vorwirft: Sie unterstützen eine bestimmte Art von Züchtern und Besitzern beim ach so beliebten Verharmlosen des Brachycephalen Syndroms. Das ist nicht nur bedauerlich, sondern auch beschämend! Die meisten von uns aber haben die Schnauze gestrichen voll vom teilweise entsetzlichen Leid dieser Tiere und auch davon, sich (wieder eine Oechtering-Formulierung) zum Reparaturtrupp der Hundezüchter degradieren zu lassen. In der Bundestierärztekammer hat die Arbeitsgruppe Qualzucht ihre Tätigkeit aufgenommen und warnt inzwischen mit dem viel beachteten Flyer „Nicht süß, sondern gequält!“ die potentiellen Käufer vor der Anschaffung eines brachycephalen Hundes. Wenn ich die Lage richtig einschätze, wird der Druck von unserer Seite in den nächsten Jahren nicht mehr nachlassen und könnte letztendlich auch zu punktuellen Zuchtverboten führen. Die gesetzlichen Voraussetzungen dafür sind mit dem (leider nach wie vor zu schwammig formulierten) Paragraphen 11b, dem Qualzuchtparagraphen des Tierschutzgesetzes eigentlich schon lange vorhanden.

Die Ehrlichkeit unserer Bemühungen für das Wohl der Plattnasen – und zwar sowohl als Rasse als auch als Individuen – ergibt sich schon allein daraus, dass es für unseren Berufsstand eigentlich am gewinnträchtigsten wäre, einfach die Schnauze zu halten, sich ins Fäustchen zu lachen und stillvergnügt die Gewinne einzustreichen, die sich aus den chirurgischen Korrekturen des züchterischen Wahnsinns zwangsläufig ergeben. Tun wir aber nicht! Wir benennen das Problem, obwohl es genug Ignoranten gibt, die uns das krumm nehmen.

– Die Züchter können wir – von wenigen Ausnahmen abgesehen – mehr oder weniger vergessen. Wie schon erwähnt, haben Jahrzehnte von Gut-Zureden, Gesprächen und Diskussionen nicht das geringste Umdenken bewirkt, weder hierzulande noch anderswo. Auch auf der gerade vergangenen World Dog Show in Leipzig war von einem wie auch immer gearteten Kurswechsel nichts zu bemerken. Der in den Diskussionen zu diesem Thema gern vorgebrachte Hinweis, dass man, anstatt beim Vermehrer, nur bei einem „offiziellen“ Züchter kaufen müsse, um einen gesunden Frenchie zu bekommen, haut so leider auch nicht hin. Davon abgesehen ist eine Einflussnahme über die VDH-organisierte Zucht speziell bezüglich der Französischen Bulldogge gar nicht mehr zielführend. Ich würde mal schätzen, dass es inzwischen Tage gibt, an denen auf Ebay mehr Frenchies angeboten werden als im VDH im ganzen Jahr auf die Welt kommen. Mit den Züchtern bzw. Vermehrern, die den absoluten Löwenanteil der auf den Markt kommenden Hunde produzieren, kann man sich also schon rein organisatorisch nicht an einen Tisch setzen und diskutieren.

Oft wird das Argument vorgebracht, dass sich ja schon was tun würde, dass es – speziell in der sogenannten Dissidenz – viele Frenchies und Möpse geben würde, die wieder viel längere Nasen hätten. Es ist richtig, ab und zu (ab und zu!) sieht man solche löblichen Beispiele. Wer aber nun glaubt, dass allein mit einer optischen Wiederverlängerung der Nase plötzlich alle Probleme beseitigt wären, der ist leider ziemlich naiv in Sachen Genetik. Nur weil die Nase länger ist, sind die Nasenmuscheln, das Gaumensegel und andere Strukturen noch lange nicht so, wie sie sein sollten, von den weiteren Problemen wie der unglaublich schlimmen Neigung zu Hauterkrankungen, Keilwirbeln und Bandscheibenvorfällen ganz zu schweigen. Eine Rückzucht der Frenchies und der Möpse zu einem Status wie vor 75 Jahren ist ein Projekt, das – wenn es mit dem momentan noch vorhandenen genetischen Material überhaupt gelingen kann – mehr als eine Menschengeneration in Anspruch nehmen wird. Für die Englische Bulldogge ist es allerdings schon zu spät. Diese Rasse ist nicht mehr zu retten, jede weitere Zucht könnte mit Fug und Recht sofort eingestellt bzw. verboten werden.

Nun, wie gesagt, von Züchter- bzw. Vermehrerseite können wir keine so zügigen Kurswechsel erwarten, wie sie angesichts des aktuellen und tausendfachen Leidens dieser Hunde eigentlich notwendig wären. Bleibt also nur eine möglichst schlagartige Reduktion der Nachfrage, um erstens die absolute Anzahl von Hunden mit Qualzuchtmerkmalen – also das Leid – möglichst weit zu verringern und um zweitens den Züchtern / Vermehrern deutlich zu machen, dass ihre „Produkte“ in dieser Form nicht mehr angenommen werden.

– Dieser Gedanke führt uns nun zu den Haltern von Bulldoggen und Möpsen, und da wird es richtig schwierig, wie ich finde. Es gibt mehrere Arten von Plattnasenbesitzern: Da sind die Uninformierten, meist Anfänger, die im schlimmsten Fall das ständige Geschnarche und Geröchel und die vor lauter Atemnot permanent geöffnete Maulspalte mit heraushängender, übergroßer Zunge (das Bully-Grinsen) auch noch „süß“ finden und die aus allen Wolken fallen, wenn nach und nach rauskommt, auf was sie sich in emotionaler und finanzieller Hinsicht eingelassen haben. Das Gegenteil sind diejenigen, die hervorragend informiert sind, und mit viel Suchen (und oft Glück!) einen Hund gefunden haben, der die typischen Probleme nur in mehr oder weniger reduzierter Form aufweist. Dann gibt es die Hardcore-Fans, die nicht von der Rasse lassen können, komme was da wolle. Diese Fans können, müssen aber nicht zwangsläufig zu den Haltern gehören, die mir offen gesagt am meisten zu schaffen machen, nämlich die Kopf-in-den-Sand-Stecker, die eine Bulldogge oder einen Mops haben, der eindeutig unter gravierenden Einschränkungen leidet, die diese Einschränkungen aber hartnäckig und zum Nachteil des doch angeblich geliebten Hundes leugnen und die auch – trotz Aufklärung von berufener Seite – nichts dagegen unternehmen und sogar notfalls solange die Tierarztpraxis wechseln, bis sie eine Kollegin oder einen Kollegen finden, die/der sie darin auch noch bestärkt.

Als schnelles Beispiel für die in meinen Augen zweifelhafte Grauzone in der Denkweise mancher (mancher!) Bully-Besitzer mag dieses Posting dienen, an dem ich mich neulich ziemlich heftig gestoßen habe:

„Bullies…. Hunde mit Profil für Menschen mit Ecken und Kanten! Immer wieder Bully! Ihre Charaktereigenschaften machen alles wett, was einem als Bullybesitzer entgegengebracht wird.“

Ich hoffe mal ganz optimistisch, dass sich da nicht nur mir die Frage stellt, um was es hier eigentlich geht: Um die selbstgefällige Pflege einer Profilneurose des Besitzers oder um Hunde, die mehr als häufig und von Welpe an aufgrund ihrer schweren Einschränkungen nicht mal annähernd das Leben führen können, das ihnen eigentlich zusteht. Sowas, das muss ich offen zugeben, strapaziert meine Toleranz. Denn dem Bully ist es mit Sicherheit herzlich egal, ob seine Charaktereigenschaften irgendwelche eingebildeten Kränkungen des Besitzers wettmachen. Er möchte nur als Hund leben können, und zwar ohne Dauerleiden und ohne zu allem Überfluss auch noch als Kompensationsmechanismus für menschliche Befindlichkeiten herhalten zu müssen!

Wer mich als Tierarzt persönlich kennt, weiß genau, wie sehr ich Bulldoggen und Möpse mag. Sie gehören rein von ihrer Wesensart her zu meinen absoluten Lieblingsrassen. Ich kann also voll und ganz verstehen, wie sehr sich ihre Fans zu ihnen hingezogen fühlen. Und ich werde immer mit meinem ganzen Einsatz versuchen, ihnen tiermedizinisch so gut es geht zu helfen. Gerade Plattnasen haben als hilflose Opfer menschlichen Hochmuts mit Sicherheit ein Recht auf alles, was wir für sie tun können. Andererseits bin ich mir einer Tatsache voll und ganz bewusst und werde deshalb wohl nie einen Frenchie besitzen: Jeder dieser Hunde, der angeschafft wird, sei er vom VDH-Züchter, sei er vom Vermehrer, sei er sogar aus dem Tierschutz, heizt letztendlich die Nachfrage weiter an.

Ich habe in dreißig Jahren als Tierarzt viele Moderassen kommen und gehen sehen, aber noch nie so eine Welle wie zur Zeit gerade beim Frenchie bzw. bei den Bulldoggen allgemein erlebt. Zum Modehund zu werden, hat bisher noch jeder Rasse schweren Schaden zugefügt. Besonders fatal für die Franzosen ist, dass sie leider auf dem bisherigen Höhepunkt ihrer ruinösen Zuchtentwicklung jetzt auch noch zum „Must Have“ geworden sind, und zwar keineswegs nur in Deutschland. Aus welchen Quellen sollen denn die enormen Zahlen an Frenchies kommen, bitte sehr? Denkt da mal jemand drüber nach? Man muss sich klar machen, dass ich allein – als eine von knapp zehntausend Praxen in Deutschland – in meiner Kundenkartei fast halb so viele Französische Bulldoggen habe, wie laut der VDH-Welpenstatistik pro Jahr geworfen werden. Es liegt auf der Hand, dass trotz all der vollmundigen Tiraden gegen die bösen Vermehrer, die man auf Facebook und anderswo lesen kann, weit über 90 Prozent der Frenchies genau aus solchen Quellen bezogen wurden und werden.

Und an diesem Punkt muss dann auch die Frage nach der Verantwortung des Verbrauchers, des Hundebesitzers, gestellt werden dürfen, und zwar ganz egal, wie aggressiv das teilweise von sich gewiesen wird. Jeder, der lauthals und unbelehrbar verkündet: Einmal Bully, immer Bully!, trägt in meinen Augen definitiv zum tausendfachen Leiden dieser bedauerlichen Tiere bei, denn er erzeugt Nachfrage, und Nachfrage wird immer befriedigt, egal wie. Dass der Nachschub zwangsläufig zu einem großen Teil aus osteuropäischen Schweineställen kommen muss, sollte ja wohl glasklar sein. Wie viele Welpen solcher Herkunft es erst gar nicht lebend auf den Markt im schönen Deutschland schaffen, wie viele Mutterhündinnen nach sechs Jahren mit zwölf Würfen in irgendeinem dunklen Verschlag schließlich mit dem Knüppel ins Genick entsorgt werden, ist ja egal. Hauptsache: Bloß kein Trend verpennt!

Wer bei Hunden Modewellen hinterherläuft, erzeugt schon allein dadurch massenhaftes Tierleid, selbst wenn er den Modehund beim VDH-Züchter kauft, denn an der Gesamtnachfrage ändert das gar nichts. Bei den Plattnasen ist dieser Effekt noch um ein Vielfaches schlimmer, weil die meisten dieser Hunde selbst dann leidend sind, wenn sie aus kontrollierter Zucht stammen. Kommen sie vom sinn- und planlosen Vermehrer, dem es ausschließlich um die möglichst schnelle und gewinnträchtige Befriedigung der immensen Nachfrage geht, wird es sowieso uferlos.

Mein Fazit, und zwar in direkter Ansprache an Fans und Besitzer:

1. Ich will bzw. wir Tierärzte wollen Ihnen persönlich nichts Böses. In zwar nicht allen, aber doch in den meisten Fällen nehmen wir Ihnen sehr wohl ab, dass Ihnen Tierleid nicht egal ist. Und wir verstehen durchaus, warum Sie sich zu diesen Rassen hingezogen fühlen. Auch mir wird es weh ums Herz, wenn ich mir vorzustellen versuche, wie es wäre, wenn ich nie wieder einen Bully als Patienten hätte.

2. Dennoch: Ohne Ablenkung durch individuelle Fälle von Hunden, die ganz gut zurecht kommen, also rein unter kühler, emotionsloser Betrachtung der Rassen an sich, sind die Französische Bulldogge, die Englische Bulldogge und der Mops fraglos Qualzuchtrassen. Soll sich für diese Rassen – soweit überhaupt noch möglich – etwas ändern, muss dieser momentanen Modewelle und der enorm hohen Nachfrage ein Ende gesetzt werden. Das wird nur gelingen, wenn Sie sich als Hundehalter zu Herzen nehmen, was Professor Oechtering neulich in einem Fernsehinterview gesagt hat: 

„Es gibt bestimmte Rassen, die darf man nach meiner Meinung im Augenblick nicht mehr kaufen, und ich seh auch kein Ende da auf uns zukommen, das ist Mops, Französische Bulldogge und Englische Bulldogge.“

So schaut’s aus, und das unterschreibe ich auch! Und wer immer mir das jetzt übel nehmen zu müssen glaubt, dem kann ich nur sagen: Sie haben nicht gesehen, was ich schon gesehen habe, seien es Frenchies „aus bester Zucht“, die so furchtbar Räude haben, wie man es sonst nur bei Tierschutz-Importen aus der hinteren Walachei erwarten würde, seien es Hunde, die von klein auf derartige Allergien entwickeln, dass sie sich vor ständigem Juckreiz fast zerreißen, seien es schon etwas ältere Vertreter, bei denen man sich anlässlich einer Narkose fragt, wie man da einen Tubus durch die verschwollenen Fleischmassen im Rachen bis in die halb kollabierte Luftröhre schieben soll, sei es der Frenchie, der nach der dritten Bandscheiben-OP nur noch taumelnd gehen und gar nicht mehr laufen kann, oder sei es die neun Monate alte Englische Bulldogge mit Kehlkopf- und Luftröhrenkollaps, die an der Wand meines Sprechzimmers lehnt, mit hoffnungsloser Todesangst in den Augen um jeden einzelnen Atemzug kämpft und mich alten Hasen zum Heulen bringt vor Mitleid und Wut.

Wer immer uns – also den Tierärzten, die das Maul aufmachen, die nicht stillhalten und einfach nur absahnen – vorwerfen will, dass wir damit Sie als Bully- oder Mops-Halter diskriminieren würden, der kapiert nicht oder will einfach nicht kapieren, dass wir uns mit solchen Wortmeldungen FÜR Ihre Lieblingsrasse, FÜR das Tier einsetzen, und zwar unserem Berufsethos folgend, obwohl wir uns damit im Prinzip wirtschaftlich selber schaden.

3. Wenn Sie also an einen Bully oder Mops als ersten oder nächsten Hund denken: Lassen Sie die Finger weg! Sie haben sonst echt gute Chancen, in den nächsten Jahren ihr blaues Wunder zu erleben. Ich kann einfach nicht glauben, dass es unter ca. 500 bekannten Hunderassen keine Alternative geben soll, die ebenfalls gut zu Ihnen passt, aber nicht von Geburt an behindert ist.

Wenn Sie schon einen Bully oder Mops haben, dann freuen Sie sich an ihm, lassen Sie ihn bei Bedarf operieren, damit er wenigstens halb so viel Luft bekommt wie ein normaler Hund, aber kaufen Sie danach möglichst keinen neuen.

Und wenn Sie zu denen gehören, die sich von diesen Rassen absolut nicht lösen können, dann bleibt nur, sich sehr, sehr genau umzusehen. Der Blick allein auf die Welpen hilft da nicht weiter. Die können im Abgabealter mit echt hübschen Näschen und ganz vernünftig atmend daherkommen, spätestens nach einem Jahr aber haben sie doch eine Schlitznase und das Theater geht los. Allenfalls der geschulte Blick auf beide (!) Elterntiere – und zwar live, nicht auf Fotos – kann da eine gewisse Sicherheit herstellen.

Abschließen möchte ich diesen langen Artikel mit zwei Zitaten von Karl Popper:

„Always remember that it is impossible to speak in such a way that you cannot be misunderstood: There will always be some who misunderstand you.“

„No rational argument will have a rational effect on a man who does not want to adopt a rational attitude.“

Weiterführende Links:

Meine Geschichte von Plattnasen, die ihren Tubus lieben

Nicht süß, sondern gequält! Der Flyer der Bundestierärztekammer

Wenn Menschen Tiere verformen. Ein Artikel von Prof. Oechtering

Time to get tough. Ein Artikel von Jemima Harrison, Regisseurin der berühmten Doku „Pedigree Dogs Exposed“

Bleiben Sie uns gewogen, bis bald, Ihr

Ralph Rückert

© Kleintierpraxis Ralph Rückert, Römerstraße 71, 89077 Ulm

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