Ein dickes Ei für Hunde- und Katzenbesitzer: Die Neufassung der Verordnung über Tierärztliche Hausapotheken!

Von Ralph Rückert, Tierarzt

Am 1. März 2018 ist eine Neufassung der Verordnung über Tierärztliche Hausapotheken (TÄHAV) in Kraft getreten, und zwar – was sicher beabsichtigt war – völlig unbemerkt durch die Personen, die davon am meisten betroffen sein werden.

In dieser Neufassung der TÄHAV wurde nämlich Ihnen, den Besitzern von Hunden und Katzen, ein richtig dickes Ei gelegt. Der Gesetzgeber selbst hat in einem Entwurf den finanziellen Mehraufwand mit über 20 Millionen Euro pro Jahr eingeschätzt, sich aber gleichzeitig befriedigt geäußert, dass diese Kosten von Tierbesitzern und Tierärzten getragen werden müssten, das Ganze für den Staat also kostenneutral wäre. Und um es gleich vorab ganz offen zu sagen: Wir Tiermediziner tragen da zwar den immensen und völlig sinnlosen Dokumentationsaufwand, reichen aber die von den Volksvertretern mal schnell beschlossenen Mehrkosten in vollem Umfang an Sie weiter. Sowas rollt immer bergab bis zum Endverbraucher. Ich gehe davon aus, dass Sie das schon geahnt haben.

Der Verordnungstext ist im Internet leicht zu finden. Sie sind gerne eingeladen, ihn sich selbst durchzulesen, um zu verifizieren, was ich Ihnen hier erzähle. Aber stellen Sie sich vorher das Tonikum Ihrer Wahl (schwerer Rotwein, Schnaps, Likör … ) bereit, denn so wirklich verständlich ist das Ding nur für Volljuristen, und selbst die streiten momentan noch wie die Hasen über die korrekte Auslegung.

Kurz umrissen geht es um Folgendes:

Hat der Tierarzt den begründeten Verdacht oder ist sich sicher, dass Ihr Tier an einer bakteriellen Infektion erkrankt ist, muss er im Fall der Anwendung eines antibiotischen Medikaments, das nicht spezifisch für diese Tierart zugelassen ist, eine sogenannte Tupferprobe entnehmen und ein Antibiogramm anfertigen (lassen). Das gilt auch pauschal und immer für die Anwendung der häufig benötigten Fluorchinolone (als bekanntes Beispiel sei Baytril genannt) oder bestimmter Cephalosporine (beispielsweise das speziell Katzenbesitzern bekannte Convenia).

Hört sich erst mal eigentlich ganz cool und vernünftig an, werden viele von Ihnen spontan sagen. Zumindest bis zu dem Moment, wo sie in der Tierarztpraxis an der Kasse stehen und für eine banale bakterielle Bindehautentzündung („Matschauge“) bis zum Doppelten an Behandlungsgebühren hinlegen müssen wie zuvor. Es gibt nämlich so gut wie keine für Tiere zugelassenen antibiotischen Augenpräparate. Wir haben uns da immer schon zwangsweise aus dem Fundus der Humanmedizin bedienen müssen, was ja auch prima funktioniert hat. Seit dem 1. März muss bei so einer Umwidmung aus dem Humanbereich zwangsläufig ein Antibiogramm erstellt werden.

Der typische Verlauf wird also sein: Sie kommen mit Ihrem Hund, der eitrigen Ausfluss aus einem oder beiden Augen zeigt, in die Praxis. Ich schaue mir das genau an, mache dies, mache jenes, entnehme eine Tupferprobe, gebe Ihnen dann mit der Diagnose „eitrige Bindehautentzündung“ genau die gleichen Augentropfen wie vor dem 1. März, Sie gehen an die Kasse, zahlen für diesen Vorgang deutlich mehr als noch im Februar, und ein paar Tage später werden dann Diagnose und Therapie durch das Antibiogramm bestätigt. Das wird Sie als Tierbesitzer dann schon nicht mehr interessieren, denn die Bindehautentzündung wird inzwischen spurlos abgeheilt sein. Aber ich habe das (von Ihnen bezahlte und nur in absoluten Ausnahmefällen wirklich überraschende Erkenntnisse liefernde) Antibiogramm als Nachweis für die Überwachungsbehörde, dass ich mich an die geltende Verordnung gehalten habe.

Erwarten Sie bitte nicht von mir, dass ich NICHT so vorgehe, beispielsweise um Ihnen einen finanziellen Gefallen zu tun oder um meinen Protest gegen diesen Schwachsinn zum Ausdruck zu bringen. Verstöße gegen die Verordnung sind meist keine Ordnungswidrigkeiten, sondern fallen unter das Strafrecht. Ich riskiere also eine Vorstrafe, wenn ich mich vorsätzlich nicht daran halte. Außerdem ist meine Praxis zertifiziert nach dem GVP-Gütesiegel. Eine lückenlose Compliance mit den jeweils geltenden rechtlichen Bestimmungen ist eine der Kardinalforderungen dieser Zertifizierung.

Ein Zitat aus einer ersten Zusammenfassung der Änderungen durch den Bundesverband Praktizierender Tierärzte (BPT): „Die Kosten für die Probenentnahme, das Bearbeiten der Proben zum Versand, die bakteriologische Untersuchung, die Auswertung der Befunde und ggf. weitere Material- und Laborkosten sind dem Tierhalter in Rechnung zu stellen.“

Man könnte die Liste der Fallkonstellationen, in denen die neue Verordnung – völlig unsinnig und ohne von wissenschaftlichen Erkenntnissen auch nur andeutungsweise beleckt – Antibiogramme fordert, noch beliebig lange fortsetzen. In unseren Fachforen und -gruppen tun wir das auch fleißig, aber für Sie wird das zu langweilig und viel zu fachspezifisch.

Aber warum müssen wir Tierärzte Ihnen, den Tierbesitzern, das alles eigentlich erklären? Und uns dann Ihre (verständlichen) Unmutsäußerungen anhören? Uns vielleicht gar noch irgendwie dafür schuldig fühlen? Nun, weil der Hauptverantwortliche für diesen Quark, der gerade noch so amtierende Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU), es nicht für nötig gehalten hat, diese eigentlich ihm zufallende Aufgabe wahrzunehmen. Klingelt da was bei Ihnen? Ja, Sie erinnern sich richtig, Christian Schmidt ist der Politiker, der das skandalöse Ding mit der EU-Glyphosphat-Entscheidung durchgezogen hat, ohne Rücksicht auf Verluste. Die fehlende Rücksicht auf Verluste (anderer, natürlich nicht seiner!) und eine geradezu extreme Beratungsresistenz halte ich persönlich für die herausragendsten Eigenschaften dieses (dankenswerterweise!) scheidenden Landwirtschaftsministers.

Politisch hat man sich ganz offensichtlich gedacht, dass man dem Wahlvolk entschlossenes Handeln bezüglich der Resistenzproblematik demonstrieren (besser: vortäuschen) müsste. Trotz eindeutiger Datenlage, die belegt, dass die Kleintiermedizin – wenn überhaupt – nur für einen ganz, ganz kleinen Prozentsatz der Resistenzen verantwortlich ist, hat man sich sogleich auf diesen Bereich (mit der schwächsten Lobby!) gestürzt. Das ist völlig absurd, denn in der Humanmedizin bekommt so gut wie jeder Patient, der auch nur schräg guckt oder dem ein Furz quer hängt, großzügigst und ohne Zögern genau die Antibiotika verabreicht, für die wir nun bei Hund und Katze Antibiogramme erstellen müssen.

Ich habe auf den Facebook-Seiten von Kolleginnen und Kollegen, die ihre Kunden schon mit ähnlichen Artikeln informiert haben, viele Kommentare gelesen, die diese Verordnung für sinnvoll und überfällig halten, weil die bösen, inkompetenten und sowieso irgendwie immer falsch liegenden Tierärzte seit Jahrzehnten sinnlos mit Antibiotika um sich werfen würden. Wenn ich auch selber – wie meine Kunden wissen – mit Antibiotika eher sparsam umgehe, gestehe ich diesem Argument doch mehr als ein Körnchen Wahrheit zu. Es bleibt aber nun mal Fakt, dass in der Humanmedizin um Welten leichtsinniger mit diesen Wirkstoffen umgegangen wird und wurde.

Ein paar Zahlen gefällig, die ich im Blog „Wir-Sind-Tierarzt“ gefunden habe? In der Tiermedizin machen die von der neuen Verordnung besonders berücksichtigten Wirkstoffgruppen der Fluorchinolone und der Cephalosporine 1,7 Prozent der Gesamtmenge aller verordneten Antibiotika aus. In der Humanmedizin, die sich im Gegensatz zu uns Tierärzten konsequent weigert, genaue Zahlen zu liefern, stellen diese beiden Substanzklassen zwischen 25 und 30 Prozent der Verordnungen! DAS ist die eigentliche Quelle der Resistenzproblematik!

Wie auch immer: Sie können diese Verordnung gut finden oder schlecht. Da will ich Ihnen gar nicht reinreden. Eine Tatsache aber bleibt am Ende bestehen: Die Kosten zahlen Sie! Etwaige Beschwerden sind bitte nicht an uns, sondern an das Landwirtschaftsministerium oder Ihren Wahlkreisabgeordneten zu richten.

Bleiben Sie uns gewogen, bis bald, Ihr

Ralph Rückert

© Kleintierpraxis Ralph Rückert, Römerstraße 71, 89077 Ulm

Sie können jederzeit und ohne meine Erlaubnis auf diesen Artikel verlinken oder ihn auf Facebook bzw. GooglePlus teilen. Jegliche Vervielfältigung oder Nachveröffentlichung, ob in elektronischer Form oder im Druck, kann nur mit meinem schriftlich eingeholten und erteilten Einverständnis erfolgen. Von mir genehmigte Nachveröffentlichungen müssen den jeweiligen Artikel völlig unverändert lassen, also ohne Weglassungen, Hinzufügungen oder Hervorhebungen. Eine Umwandlung in andere Dateiformate wie PDF ist nicht gestattet. In Printmedien sind dem Artikel die vollständigen Quellenangaben inkl. meiner Praxis-Homepage beizufügen, bei Online-Nachveröffentlichung ist zusätzlich ein anklickbarer Link auf meine Praxis-Homepage oder den Original-Artikel im Blog nötig.

Nach oben scrollen