Von Ralph Rückert, Tierarzt
Adopt, don’t shop! Ein griffiges Motto! Gemeint ist, dass man keinen Hund beim Züchter kaufen, sondern einen aus dem Tierschutz adoptieren soll. Wann immer in den sozialen Medien jemand nach einem Züchter oder nach Eigenschaften einer spezifischen Rasse fragt, kurz: sein Interesse an einem Rassewelpen kund tut, taucht unweigerlich eine Variante dieser Botschaft auf, gerne vorgetragen in ruppigem und vorwurfsvollem Tonfall.
Ich unterstelle zwei Motive für solche Kommentare: Zum einen ist (nach einem Zitat von Franz Werfel) neben dem Geschlechtstrieb bestimmt kein Bedürfnis so bestimmend für das Handeln des Menschen wie die Sehnsucht nach moralischer Überlegenheit, und diese dringende Sehnsucht lässt sich aus vielen dieser Kommentare herauslesen. Facebook-Gruppen sind ja schon ein bisschen wie Feudalgesellschaften: Die Admins agieren als Könige, die Moderatoren als ihre Herzöge und einige Vielschreiber mit hohem Gruppen-Ansehen als Barone. Mit einem oder mehreren Hunden aus dem Tierschutz, idealerweise „aus der Tötung“, plus der politisch korrekten Einstellung (bloß keine Rassewelpen!), kann man sich innerhalb dieses Feudalsystems trefflich selbst den Ritterschlag erteilen. Das entsprechende Banner muss dann natürlich fleißig geschwenkt werden, damit auch alle mitbekommen, dass man ein Tierschutz-Ritter und damit eindeutig was Besseres ist als die ganzen blinden Rassewelpenkäufer, die das Leid der unzähligen Straßenhunde in XY-Land bei ihrer Kaufentscheidung hartleibig und sträflich ignoriert haben.
Zum anderen räume ich neben dieser zugegebenermaßen ziemlich zynischen Sichtweise gerne ein, dass natürlich in den meisten Fällen auch ein echtes Engagement für benachteiligte Hunde aus besagten Adopt-Don’t-Shop-Kommentaren sprechen mag. Aber ist das denn wirklich sinnvoll? Wird den Tierschutzhunden wirklich damit geholfen? Bringen solche Kommentare nennenswerte Zahlen an potentiellen Rassewelpenkäufern von ihrer Absicht ab und lassen sie ihren Weg in die Tierheime und zu den Rettungsorganisationen finden?
Ich würde sagen: Mitnichten! In meinen Augen treibt dieses oftmals irritierend aggressive und im anklagenden Brustton moralischer Überlegenheit vorgebrachte Argumentieren für das Adoptieren eines Tierschutzhundes vielmehr einen Keil in die Masse der Hundefreunde. Da stehen sich plötzlich edle Tierschutz-Ritter auf der einen und die stupide, ethisch minderwertige Plebs der Rassehundehalter auf der anderen Seite unversöhnlich gegenüber.
Nun sind aber jegliche Tierschutzbemühungen nicht zuletzt auf Geld, auf Kohle, Schotter, Kies angewiesen. Wer macht da wohl am ehesten den Beutel auf? Richtig, die Hundefreunde, und zwar in ihrer Gesamtheit. Geht man nun als tierschutzengagierte Person her und schickt ständig gut die Hälfte aller Hundebesitzer zum Schämen in die Ecke, kann man dann von diesen Gemaßregelten noch viel erwarten? Eher nicht, oder?
Ginge es nur um Einzelfälle, wäre mir das keinen Blog-Eintrag wert. Ich habe aber das deutliche Gefühl, dass diese permanente Runtermacherei der Rassehundebesitzer allmählich wirklich überhandnimmt. Deshalb mein gut gemeinter Ratschlag: Wer was von anderen Menschen will, kommt mit freundlicher Beharrlichkeit allemal entschieden weiter als mit trotzigem Aufstampfen. Letzteres kann nur schädlich sein für ein eigentlich nobles Anliegen!
Es kann sich ja jede(r) problemlos selbst überprüfen, auch wenn es weh tun mag: Wer sich für den (Auslands-)Tierschutz engagiert, sich aber dabei ertappt, dass er ständig anderen Hundehaltern das obige Motto um die Ohren haut oder gar ungefragt auf die Nase bindet, dass der eigene Hund „aus der Tötung“ stammt, ist schon auf dem falschen Dampfer, denn er nervt und antagonisiert Leute, auf deren Kohle und Goodwill man nun mal dringend angewiesen ist, wenn man was erreichen will. Diese penetrant-moralinsaure Attitüde geht inzwischen sehr vielen Hundehaltern so richtig auf den Zeiger.
Noch eine abschließende Anmerkung: Das war jetzt absolut kein Artikel über die durchaus diskussionswürdigen Themen „Auslandstierschutz“ oder „vereinsorganisierte Hundezucht“, sondern nur über die Sinnhaltigkeit von offen nach außen getragener moralischer Überheblichkeit unter Tierschutz-Engagierten.
Bleiben Sie uns gewogen, bis bald, Ihr
Ralph Rückert
© Kleintierpraxis Ralph Rückert, Römerstraße 71, 89077 Ulm
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