Die Analbeutel: A(rs)chillesferse vieler Hunde!

Die Analbeutel: A(rs)chillesferse vieler Hunde!

Von Ralph Rückert, Tierarzt

Alle Hunde (aber auch Katzen und noch so einige andere Tierarten) besitzen in direkter Nähe des Afters zwei Analbeutel bzw. Analdrüsen. Angesichts der Häufigkeit, mit der speziell Hunde wegen sicherlich sehr schmerzhafter Analbeutelprobleme in der Tierarztpraxis vorgestellt werden, können wir Mensch echt dankbar sein, nicht mit diesen Organen gesegnet zu sein.

Die Analbeutel liegen auf auf einem gedachten Zifferblatt mit dem After als Mittelpunkt auf 8 und 4 Uhr und stellen Drüsensammelräume dar, in denen das gebildete Sekret sozusagen bevorratet wird. Gebraucht wird dieses Sekret regelmäßig anlässlich der Darmentleerung, bei der es durch die in der Querfalte es Afters mündenden Ausführungsgänge auf die Kotsäule aufgetragen wird. Außerdem können sich die Analbeutel in Paniksituationen reflexartig entleeren, was logischerweise auch manchmal in der Tierarztpraxis passiert. Manche Besitzer machen auch die olfaktorisch leidvolle Erfahrung, dass sich die (wahrscheinlich schon etwas überfüllten) Analbeutel eines Hundes in Tiefenentspannung, also im Schlaf, teilweise entleeren können.

Das Volumen der Analbeutel ist in etwa proportional zur Größe des Hundes und kann zwischen 0,25 und 7,5 Milliliter betragen. Das in den Drüsen gebildete Sekret wird durch eine physiologische Keimflora (hauptsächlich bestimmte Streptokokken) zersetzt. Die dadurch entstehenden Inhaltsstoffe erzeugen einen (für uns Menschen!) ausgesprochen üblen und oft als fischig beschriebenen Geruch. Analbeutelsekret kann für unsere zarten Näschen jeder Stinkbombe locker Konkurrenz machen. Hunde sehen bzw. riechen das aber ganz anders.

Selbst als Mensch mit einem dem der Hunde weit unterlegenen Geruchssinn kann man, wenn man wie wir in der Tiermedizin das Sekret vieler Hunde riechen kann bzw. muss, feststellen, dass es bei jedem Hund irgendwie eine andere Note hat. Immer ziemlich schrecklich, aber halt doch unterschiedlich. Für die Hunde selbst aber ist das Analdrüsensekret buchstäblich ein olfaktorischer Personalausweis, eine geruchliche Visitenkarte, die man – wie oben beschrieben auf den abgesetzten Kot aufgebracht – großzügig überall verteilen kann. Wahrscheinlich ist der individuelle Analbeutelsekretgeruch für die Nase von Hunden so einzigartig wie für uns ein Fingerabdruck.

Was Hunde alles an Informationen aus diesem Geruch gewinnen können, wissen wir natürlich nicht wirklich, aber es muss jede Menge sein: Alter, Geschlecht, Zyklusstand, allgemeine Hormonlage (kastriert, intakt?), vielleicht auch irgendwas bezüglich Sozialstatus, und so weiter. Wie man als Hundehalter weiß, ist die gegenseitige Kontrolle des sogenannten „Analgesichts“ den Hunden entschieden wichtiger als der für uns Menschen so bedeutsame Blick in die Augen.

Alles in allem scheint es sich bei den Dingern also um für das Nasentier Hund immens wichtige Organe zu handeln. Um so bedauerlicher, dass sie für viele Hunde eine sehr dominante gesundheitliche Schwachstelle darstellen. Man könnte auch sagen: Um so bedauerlicher, dass mal wieder wir Menschen in unserem Hochmut bei der (Schönheits-)Zucht von Hunden auf alles mögliche achten, aber nicht mal ansatzweise auf gesunde Analbeutel. Dass vorwiegend sehr kleine Hunde und Tiere mit sehr kurzem oder verkrüppeltem (Bulldoggen!) Schwanz von Analbeutelerkrankungen betroffen sind, ist (wieder mal und wenig überraschend) ein klarer Hinweis auf langfristiges züchterisches Versagen. Hat halt irgendwie nie jemand interessiert, was sich da hinten am Auspuff so abspielt, wenn der Hund ansonsten viele Pokale gewinnt.

Aber, um das gleich klar zu stellen: „Vorwiegend“ ist nicht gleich „ausschließlich“! Besitzer großer Hunde mit ganz normalen, langen Schwänzen können sich keineswegs sicher fühlen. Analbeutelentzündungen und -abszesse kommen mit schöner Regelmäßigkeit auch da vor. Ich vergleiche es immer mit Kindern und Ohrenschmerzen: Viele haben so gut wie nie Probleme, manche aber andauernd. Ein Hund, der einmal eine Analbeutelentzündung hatte, hat eine gefühlt 75prozentige Chance, dass das nicht das letzte Mal war.

Vor der Entzündung kommt es meist zur Anschoppung. Der Ausführungsgang wird von eingetrocknetem Sekret verlegt, der Analbeutel füllt sich immer mehr. Das ist dem betroffenen Hund ganz offensichtlich unangenehm, weil er diesen Zustand selbständig und bei ausbleibendem Erfolg meist zunehmend verzweifelt zu beheben versucht, durch Belecken und das berühmte „Schlittenfahren“, bei dem die Analregion mit richtig Druck über den Boden gezogen wird. Bei Hunden, die wegen Fettleibigkeit oder anderer ungünstiger körperlicher Umstände (z.B. degenerative Wirbelsäulenveränderungen) mit der Zunge nicht ganz an den After rankommen, sieht man häufig schlimme Leckdefekte an benachbarten Hautregionen wie den Schenkeln oder auf der Kruppe.

Bekommt der Hund das selbst nicht gebacken (und merken die Besitzer nix!), entsteht aus der Anschoppung ziemlich zügig eine Entzündung. Der betroffene Analbeutel schwillt an und füllt sich zunehmend mit dann eitrigem und oft auch blutigem Sekret. In dieser Phase kommt es häufig auch zu immer deutlicheren Einschränkungen des Allgemeinbefindens. Merkt außer dem Hund immer noch niemand was, sucht sich dieses Sekret erstaunlich schnell einen alternativen Ausgang, bricht also durch die Haut nach außen durch, es entsteht eine Analbeutelfistel. Dies kann immerhin zu einer gewissen Erleichterung des Patienten führen, weil das Druckgefühl nachlässt, ist aber natürlich als offene, eitrige Wunde trotzdem schleunigst behandlungsbedürftig.

Dieser Vorgang, von Anschoppung über Entzündung zu Durchbruch, benötigt in vielen Fällen so wenig Zeit, dass entsprechende Symptome beim Hund es rechtfertigen, den Wochenend-Notdienst zu beanspruchen. Ein Tag Behandlungsverzögerung kann durchaus zur Fistelbildung und damit zu einer längerfristigen, unangenehmen und aufwendigen Behandlung führen.

Das mit den Symptomen ist aber trotz der wahrscheinlich extremen Schmerzhaftigkeit der Erkrankung auch so eine Sache: Manche Hunde geben einem leider sehr wenig Hinweise darauf, dass da was faul ist, warum auch immer. Ich kann den Besitzern speziell langhaariger Hunde nur dazu raten, die Analregion ihres Hundes auf einer sehr regelmäßigen Basis zu kontrollieren, idealerweise nicht nur optisch, sondern auch durch Betasten. Lassen Sie sich das in der Tierarztpraxis ruhig mal zeigen. Man kann die Analbeutel meist gut als haselnuss- bis über weintraubengroße „Bollen“ beidseits des Afters tasten. Speziell Asymmetrie (einer der beiden Beutel ist größer als der andere) und Schmerzreaktionen beim Betasten stellen neben gespannter und geröteter Haut absolute Alarmzeichen dar.

Damit wir uns jetzt aber nicht falsch verstehen: Die Analbeutel dürfen durchaus spürbar Inhalt aufweisen. Es sind schließlich – wie oben schon angemerkt – „Vorratsbehälter“ für das gebildete Sekret. Sie müssen also nicht zwangsläufig entleert werden, wenn da was drin ist. Ganz im Gegenteil halte ich das anlasslose und routinemäßige Ausdrücken der Analbeutel bei Hunden, die damit gar keine Probleme haben, für eine ziemlich sinnlose Vorgehensweise, wenn nicht sogar für einen Fehler.

Entleert werden müssen die Analbeutel nur bei einer Anschoppung oder Entzündung. Dafür gibt es pauschal drei Techniken: 1. Das Ausdrücken beider Drüsen gleichzeitig durch Druck von Daumen und Zeigefinger von außen Richtung After. Das ist die einfachste Technik, die Sie sich bei Bedarf durchaus auch mal vom Tierarzt zeigen lassen können. 2. Durch Einführen des Zeigefingers in den After, der dann ein Gegenlager für den von außen drückenden Daumen darstellt, lassen sich die beiden Drüsen getrennt voneinander entleeren. Das ist die in unserer Praxis bevorzugte Vorgehensweise, weil wir dadurch sofort wissen, welche der beiden Drüsen ein Problem hat. 3. Lässt sich ein Analbeutel weder durch die eine, noch durch die andere Technik entleeren (Ausführungsgang zu fest verstopft, eingetrocknetes oder zu dickes Sekret), muss man ihn spülen. Dabei dringt man mit einer sogenannten Knopfkanüle in den Ausführungsgang ein und spült dann mit einer sterilen oder antiseptischen Lösung. Dieser Vorgang wird von manchen Hunden erstaunlich gut toleriert, während andere dafür sediert werden müssen, speziell natürlich dann, wenn schon eine starke, entzündungsbedingte Schmerzhaftigkeit vorliegt. Ist die Drüse ausgespült, können auf diesem Weg auch noch lokal wirksame Medikamente in den Analbeutel eingebracht werden.

Regel- und routinemäßiges Ausdrücken der Analbeutel ist nur bei Hunden mit definitiv chronischen Problemen notwendig. Manche Besitzer können das nach Demonstration durch den Tierarzt erstaunlich gut, andere bringen es einfach nicht über sich. Da müssen dann halt wir ran. Sollten Sie diesen Vorgang selber ausführen wollen, drücken Sie bitte erstens nicht wie ein Schmied, weil Sie damit einen echten Schaden anrichten können, und machen es – wenn möglich – lieber draußen im Freien. Der Geruch ist wirklich schlimm und langanhaltend, und das Sekret kann manchmal trotz vorgehaltener Kompresse buchstäblich meterweit spritzen. Nicht waschbare Wohntextilien und Analbeutelsekret vertragen sich nun mal gar nicht!

Auf gar keinen Fall sollten Sie selbst an einer schon entzündeten Analdrüse rumdrücken. Erstens wird Sie Ihr Hund dafür hassen, weil das wirklich sehr schmerzhaft sein kann. Besser hasst er uns als Sie! Zweitens können Sie durch eine mangels Routine und Übung zu unsensible Vorgehensweise die entzündete Drüse erst recht zum Durchbruch (auch ins umliegende Gewebe!) bringen. Wenn ein Hund wie ein Wilder schleckt, Schlitten fährt, plötzlich vermehrt seinen Schwanz jagt und die Drüse klar vergrößert und schmerzhaft ist, bleibt nur noch der schnelle Weg in die Tierarztpraxis.

Primäre Behandlungsmethode bei Entzündungen oder Fisteln ist die Kombination aus Entleeren, wiederholtem Spülen und dem Einbringen lokal wirksamer Medikamente. In den allermeisten Fällen sind auch Schmerzmittel angezeigt. Die systemische Anwendung von Antibiotika ist nach wie vor nicht unumstritten, aber auf jeden Fall zur Verhinderung einer Sepsis (Blutvergiftung) angezeigt, wenn Fieber festgestellt wird. Bei konsequenter Vorgehensweise bekommt man das in der Regel innerhalb einer Woche wieder in den Griff.

Nicht unerwähnt bleiben darf, dass die Analbeutel – wie alle Drüsen – natürlich auch bösartige Tumore entwickeln können. Kommt beim Tierarzt ein entsprechender Verdacht auf, müssen Gewebeproben aus dem entsprechenden Analbeutel entnommen werden.

Bei maligner Entartung oder bei behandlungsresistenten, chronischen Beschwerden können die Analbeutel operativ entfernt werden. So eine Analbeutelexstirpation sollte nur von Chirurgen ausgeführt werden, die damit Routine haben, weil es bei unpräziser oder zu robuster Vorgehensweise durch Schädigung der Schließmuskeln kurz- oder langfristig zur Kontinkontinenz kommen kann. Der Eingriff ist bei einem Tumor natürlich absolut unvermeidlich, bei chronischen Entzündungen sollte er aber die Ultima Ratio sein und nur dann zur Anwendung kommen, wenn alle konservativen Bemühungen nicht zum Erfolg geführt haben. Die OP in dieser maximal innervierten Körperregion ist für den Patienten äußerst unangenehm. Ob und wie sehr Hunde in der Folge unter dem Verlust ihres „Personalausweises“ leiden, ist mir natürlich nicht bekannt.

Kommen wir abschließend zum Thema Prophylaxe: Kann man irgendwie vorsorgen, irgendwie verhindern, dass der Hund Analbeutelprobleme entwickelt? In meinen Augen ist das fraglich. Wie oben schon mit dem Kinder-Ohrenschmerz-Vergleich angedeutet: Manche (mit offenbar ungünstigen genetischen Voraussetzungen) erwischt es, und zwar immer wieder, andere haben ihr Leben lang nicht mal andeutungsweise ein Problem. Theoretisch könnte bzw. müsste anhaltend breiiger Kot bzw. Durchfall dazu führen, dass die Analbeutel sich nicht auf natürlichem Wege entleeren, also einer Anschoppung Vorschub leisten. Das gilt selbstredend auch für eine länger anhaltende Verstopfung. Im Vorbericht von Analbeutelpatienten tauchen nach meiner Erfahrung recht oft längerfristige Probleme mit zu weichem oder zu hartem Kot auf. In solchen Situationen kann es also nicht schaden, mit erhöhter Aufmerksamkeit auf Symptome einer Anschoppung oder Entzündung zu achten.

Hat der Hund zu selten Gelegenheit zum Kotabsatz, kommt er also nicht häufig genug raus, könnte sich das ebenfalls negativ auswirken. Wenn man eigentlich müsste, aber nicht kann oder darf, kneift man sprichwörtlich „die Arschbacken zusammen“, erhöht also den Tonus der Schließmuskeln, was beim Hund auch zum zuverlässigen Verschluss der Drüsen-Ausführungsgänge führt.

Vor meinem geistigen Auge sehe ich jetzt schon die Kommentare in dem Sinne: Wir BARFEN und mein Hund hatte noch nie irgendein Problem mit den Analbeuteln! Sorry, das deckt sich leider überhaupt nicht mit meinen Erfahrungen. Es wären mir auch keine dementsprechenden Veröffentlichungen bekannt. Und eigentlich ist es unlogisch, denn die Analbeutel werden auf natürlichem Weg am ehesten durch regelmäßiges Absetzen von kräftigen Kotsäulen mit ordentlich Volumen entleert, also dem Gegensatz von dem, was durch extrem fleischlastige Rationen zustande kommt, nämlich seltener und „kleiner“ Kot. In der täglichen Praxis sehe ich da überhaupt keinen Unterschied: Analbeutelprobleme treten querbeet auf, egal, wie der Hund gefüttert wird.

Das soll aber natürlich nicht heißen, dass Sie sich bei anhaltend breiigem oder zu hartem Kot Ihres Hundes keine Gedanken über einen Tierarztbesuch und eventuell eine Futterumstellung machen sollten. Dabei muss man aber nicht gleich drastisch werden und zum Beispiel einen seit 9 Jahren mit Trockenfutter ernährten Hund auf Rohfütterung umzustellen versuchen, weil das heutzutage als Allheilmittel gegen alles von Schnupfen bis Krebs kolportiert wird. Der Wechsel von Marke bzw. Sorte kann da ja auch völlig ausreichen. Und nicht vergessen: Dauerhaft matschiger oder harter Kot kann natürlich auch ein Krankheitssymptom sein. Deshalb: Erst Tierarzt, dann Futterexperimente!

Mit den besten Wünschen, dass Ihr Hund zu denen gehört, die nie Analbeutelprobleme bekommen, und bleiben Sie uns gewogen, bis bald, Ihr

Ralph Rückert

© Kleintierpraxis Ralph Rückert, Römerstraße 71, 89077 Ulm

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