In die Semel bis ter Quater (In die Semmel biss der Kater): Von Häufigkeiten und Intervallen bei der Medikamentengabe

In die Semel bis ter Quater (In die Semmel biss der Kater): Von Häufigkeiten und Intervallen bei der Medikamentengabe

Von Ralph Rückert, Tierarzt

Neulich wurde uns ein Kater vorgestellt, der andernorts mit einer schweren und augenlichtbedrohenden Uveitis (Entzündung der Uvea, der Augenhaut) diagnostiziert worden war. Die vorbehandelnde Praxis hatte Augentropfen verschrieben, auf den beiliegenden Eingabeanweisungen war angekreuzt: Morgens, mittags, abends, also dreimal täglich.

Nach unserer Erfahrung fragt man da besser ausdrücklich nach, wann die Besitzer:innen des betreffenden Tieres das Medikament ganz genau verabreichen. In diesem Fall war es mehr oder weniger so, wie vorauseilend pessimistisch erwartet: Erste Gabe der Augentropfen um 5.30 Uhr, zweite Gabe um 11 Uhr und dann nochmal um 18 Uhr. Das ist zwar „dreimal täglich“, es ist auch „morgens, mittags, abends“, und trotzdem ist es leider nicht korrekt!

Worum geht es uns bei einer mittel- oder längerfristigen Medikamentengabe? Es kommt darauf an, zu jedem Zeitpunkt des Tagesverlaufs eine ausreichend hohe Konzentration des Medikaments im Körper bzw. am Wirkort (in diesem Fall im Auge) zu gewährleisten. Wie oft man ein Präparat verabreichen muss, um dieses Ziel zu erreichen, hängt davon ab, wie schnell es vom Organismus abgebaut bzw. ausgeschieden wird, also von der sogenannten Halbwertszeit.

Im Fall unseres Katers haben entweder der Hersteller der Augentropfen oder die vorbehandelnden Tierärzt:innen befunden, dass das gewünschte Behandlungsziel durch dreimal tägliche Eingabe zu erreichen ist. Aus der erläuterten Notwendigkeit eines zu jedem Zeitpunkt des Tages ausreichenden Wirkstoffspiegels ergibt sich aber zwingend, dass zwischen den drei Eingabezeitpunkten immer das gleiche Zeitintervall liegen muss. 24 Stunden dividiert durch 3 ergibt 8 Stunden als Eingabeintervall. Richtig wäre also zum Beispiel 6 Uhr, 14 Uhr und 22 Uhr.

Es führt kein Weg dran vorbei: Sie müssen da selber ein bisschen mitdenken, ob nun als Tierbesitzer:in oder als Patient:in, denn ja, das gilt natürlich auch für die Humanmedizin, wenn Sie selbst ein Medikament mit der lapidaren Anweisung „ein-, zwei- oder dreimal täglich“ verschrieben bekommen. „Einmal täglich“ bedeutet möglichst genau alle 24 Stunden, also nicht mal um 8 Uhr und mal um 11 Uhr. „Zweimal täglich“ oder „morgens und abends“ bedeutet alle 12 Stunden, natürlich ebenso möglichst genau. „Dreimal täglich“ oder „morgens, mittags, abends“ bedeutet alle 8 Stunden, „viermal täglich“ alle 6 Stunden.

Und was soll die schräge Überschrift in diesem Zusammenhang bedeuten? Das ist der Merkspruch, die Eselsbrücke, mit der Studentinnen und Studenten der medizinischen Berufe die lateinischen Abkürzungen für die erläuterten Eingabeintervalle auswendig lernen, wie sie zum Beispiel in Arztbriefen oder Fachartikeln verwendet werden. SID bedeutet „semel in die“ (einmal täglich), BID „bis in die“ (zweimal täglich), TID „ter in die“ (dreimal täglich) und QID „quater in die“ (viermal täglich).

Wenn Sie jetzt feststellen, dass Sie das alles gerade zum ersten Mal erfahren und Eingabezeitpunkte bei sich selber oder bei Ihrem Tier bisher recht locker gehandhabt haben, müssen Sie sich nicht allzu viele Vorwürfe machen, denn Sie gehören damit nach wissenschaftlichen Untersuchungen zu einer Mehrheit der Bevölkerung. Nichtsdestotrotz sind die hier erläuterten Zusammenhänge für einen Therapieerfolg mal mindestens wichtig, in vielen Fällen sogar ausschlaggebend.

Nur zwei schnelle Beispiele: Fällt ein Patient durch ein zu langes Eingabeintervall aus der Schmerzmittelwirkung raus, braucht er eigentlich eine deutlich erhöhte Dosis, um wieder in den optimalen schmerzunterdrückenden Bereich zu kommen. Hier bedeutet Schlamperei bei der Eingabe also unnötiges Leiden für das Tier. Bekommen durch ein Antibiotikum unter Beschuss stehende Bakterien durch eine verzögerte Eingabe sozusagen eine Atempause, können sie diese dazu nutzen, um sich gegenseitig genetische Updates zuzuspielen, die zu Resistenzen und einem Versagen der antibiotischen Therapie führen können, mit möglicherweise fatalen Folgen für den Patienten.

Nehmen Sie diese Hinweise also bitte wirklich ernst und bemühen sich nach Kräften, die erläuterten Zeitintervalle möglichst präzise einzuhalten. Die medizinische Community quer durch alle Fachrichtungen muss sich allerdings auch ein Stück weit die Kritik gefallen lassen, dass recht salopp gestaltete Eingabeanweisungen mit „Morgens“, „Mittags“ und „Abends“ zum Ankreuzen einfach nicht genug Informationen rüber bringen, um eine korrekte Medikamentengabe zu gewährleisten. Aber für diese Fälle wissen Sie jetzt ja Bescheid! Dementsprechend wäre eine möglichst weite Verbreitung dieses Aufklärungstextes durchaus wünschenswert, vielen Dank!

Bleiben Sie uns gewogen, bis bald, Ihr

Ralph Rückert

 

© Kleintierpraxis Ralph Rückert, Römerstraße 71, 89077 Ulm

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