Von Ralph Rückert, Tierarzt
Eine aufmerksame Leserin meines Blogs hat mich darüber informiert, dass man sich als älterer Mensch von der Fernsehzeitschrift „Auf einen Blick“ (Bauer Media Group) bezüglich der besten Hunderassen für „Best Ager“ beraten lassen kann. „Die idealen Hunde-Rassen für alle ab 60“ ist der Titel des entsprechenden Artikels. Da fährt man als 65jähriger, der sich jeden Tag fragt, ob er seiner Terrier-Taschenrakete noch Herr wird, natürlich voll drauf ab.
„Best Ager haben besondere Ansprüche an einen tierischen Begleiter. Diese hier erfüllen alle“ steht da einleitend, und dann geht’s los!
Als erstes wird ein Hund aus dem Tierheim empfohlen, mit den Worten „Hier ist die Rasse fast egal. Denn in Tierheimen fristen vor allem ältere Hunde ein trauriges Dasein, gelten als schwer vermittelbar. Wer so einen Oldie adoptiert und ihm damit einen schönen Lebensabend schenkt, kann sich seiner ewigen Dankbarkeit sicher sein. Perfekt auch für alle, die sich nicht zehn oder mehr Jahre an einen Hund binden wollen.“
Über den Rat zum (älteren) Tierheimhund kann man ja eigentlich nicht meckern. Dass aber die Rasse in diesem Kontext „fast egal“ sein soll, ist aus offensichtlichen Gründen eine echt gewagte Aussage. Mein Kopfkino hat an dieser Stelle sogleich Bilder eines 70jährigen mit einer Hüft- und einer Knieprothese und einem tobenden 55-kg-Rotti an der Leine abgespielt. Und das mit der immer wieder beschworenen „Dankbarkeit“ ist natürlich totaler Bullshit. Hunde sind NICHT dankbar! Können sie nicht, weil Dankbarkeit ein abstraktes und Hunden nicht zugängliches Konzept ist. Trotzdem scheint dieser Gedankengang einfach nicht auszurotten sein, mit der entsprechend schockierten Enttäuschung, wenn sich unweigerlich rausstellt, dass sich der „gerettete“, „adoptierte“ Tierheimhund so gar nicht dankbar aufführt, sondern ohne Rücksicht auf Kollateralschäden sein Hundeding durchzieht.
Halbwegs nachvollziehbar und realistisch ist die Empfehlung von Havanesern und Maltesern. Ihnen schreibt die Fernsehzeitung Quirligkeit, Klugheit, Geselligkeit, Will-To-Please und Lernwilligkeit zu. Ich würde noch hinzufügen, dass sie eher klein sind, was für ältere Menschen häufig einen handfesten Vorzug bedeutet. Warnend sollte man aber anmerken, dass man auf den Kaufpreis des Welpen immer gleich ca. 500 bis 1000 Euro draufrechnen sollte, denn die muss man fast mit Sicherheit schon ein halbes Jahr nach Anschaffung in der Tierarztpraxis auf den Tisch legen, um die für diese Rassen ganz typischen Zahnwechselprobleme (persistierende Milcheckzähne) chirurgisch korrigieren zu lassen.
Nächste und leider weder lustige noch passende Empfehlung: Der Mops! Zitat: „Schon Loriot schätzte sie für ihre gemütliche Geduldigkeit. Und wer mit ihnen unterwegs ist, bleibt bei seinen Gassigängen nie lange allein. Da man sie leicht erziehen kann, eignen sich die markanten Hunde besonders gut für Anfänger. Allerdings benötigen sie viel Aufmerksamkeit und spielen sehr gern.“
Tja, der gute Loriot muss mal wieder – wie eigentlich immer – herhalten, um die Anschaffung und Haltung dieser Numero-Uno-Qualzuchtrasse zu rechtfertigen. „Gemütlich“ und „geduldig“ sind Möpse in erster Linie deshalb, weil die Luft für alles andere einfach nicht reicht und weil sie nach einer sehr kurzen Jugendzeit sowieso meist verfettet und von diversen degenerativen Gelenk- und Wirbelsäulenveränderungen geplagt durchs Leben wackeln (müssen). Am Mops stimmt fast gar nichts mehr, ob es nun die Augen, die Zähne, die Atmungsorgane, die Haut, die Ohren, die Verdauungsorgane oder der Bewegungsapparat sind. Und so eine Rasse empfiehlt man älteren Menschen, für die („das letzte Kind hat Fell!“) buchstäblich die Welt zusammenbricht, wenn dem vierbeinigen Gefährten was fehlt. Um es ganz klar zu sagen: Will man seinen Mops nicht in völliger Ignoranz sein ganzes Leben lang leiden lassen, wofür sich leider so einige Besitzer:innen entscheiden, wird man auf jeden Fall Stammkunde in der Tierarztpraxis des Vertrauens und eventuell auch noch in der einen oder anderen Spezialklinik. Also nein, der Mops ist für gar niemand eine gute Hunderassenempfehlung, schon gar nicht für Menschen über 60.
Nun, und wenn man schon dabei ist, kann man ja mit der Französischen Bulldogge den alten Knackern ruhig auch noch eine weitere Top-Drei-Qualzuchtrasse aufschwatzen. Sie wird von der Programmzeitschrift als „die vielleicht fröhlichste aller Hunderassen“ bezeichnet, „verspielt, verschmust und immer auf dem Menschen bezogen“. Weiter heißt es: „Viel Bewegung brauchen die Tiere nicht, mittelkurze (?) Gassigänge reichen den rund zehn Kilo schweren Vierbeinern vollkommen.“
Um da gleich einzuhaken: Doch, Französische Bulldoggen bräuchten von ihrem Temperament her durchaus viel Bewegung. Konjunktiv „bräuchten“ deshalb, weil auch bei ihnen – wie beim Mops – gilt, dass sie erstens für ihr eigentlich vorhandenes Bewegungsbedürfnis einfach nicht genug Luft bekommen und viel zu schnell überhitzen, und dass sie zweitens potenziell schon sehr früh unter den Folgen ihrer extrem häufig vorhandenen Wirbelsäulenmissbildungen zu leiden haben. Da vergeht halt auch dem resilientesten Hundecharakter der Spaß am Rumrennen. Auch bei der Französischen Bulldogge haben wir es mit einer Rasse zu tun, die man treffend mit „Fehler in allen Teilen“ beschreiben kann und die man erst zurechtoperieren muss, damit sie überhaupt irgendwie klar kommt.
Wer also als Best Ager auf extreme emotionale Turbulenzen beim Miterleben des Leidens dieser Hunde und überdies auf möglichst hohe Tierarztkosten scharf ist, muss nur diese beiden hanebüchenen Empfehlungen von „Auf einen Blick“ befolgen und sich entweder einen Mops oder eine Französische Bulldogge anschaffen. Ruckzuck ist es Essig mit dem RUHEstand!
Vielleicht sollten wir uns ganz allgemein darauf verständigen, möglichst (außer dem Fernsehprogramm) überhaupt keine Lebensratschläge von TV-Zeitschriften anzunehmen, weil die eigentlich nur Stuss sein können, zusammengeschrieben entweder von irgendwelchen Praktikanten oder von einer KI-Banause.
Bleiben Sie mir gewogen, bis bald, Ihr
Ralph Rückert
© Ralph Rückert
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