Alltagserkenntnis: Das System ist kaputt und wird so schnell nicht wieder heile!

Alltagserkenntnis: Das System ist kaputt und wird so schnell nicht wieder heile!

Von Ralph Rückert, Tierarzt
Seit Jahren machen wir hier im Blog die immer weiter zunehmende Krise des tiermedizinischen Systems zum Thema. Theoretisch ist das alles klar wie Kloßbrühe: Kliniksterben, Fachkräftemangel, etc. pp. In der Praxis ist das dann in seinen Auswirkungen trotzdem selbst für uns Profis manchmal echt schockierend!
Ausgangslage am Tag X: Meine Frau und ich sind im Urlaub in Südfrankreich. Meine Kollegin und designierte Nachfolgerin Johanne Bernick ist zur Hochzeit ihres Bruders unterwegs nach Berlin. Unsere Kollegin Melanie Hentschke macht aufgrund dieser Umstände eingeschränkten Dienst in der Praxis. Frau Hentschke ist eine voll qualifizierte Tierärztin, hatte aber bisher noch keine Gelegenheit, sich die erforderlichen manuellen Fähigkeiten für endoskopische Untersuchungen anzueignen.
Am Frühstückstisch im Ferienhaus erreicht uns (an einem Wochentag!) die Nachricht eines langjährigen Stammkunden der Praxis, dass seine junge Hündin wohl am Vortag beim Spaziergang etwas eingeatmet haben müsse – verdachtsweise eine Mäusegerstengranne, volkstümlich „Schliafhansel“ genannt – und sie nun Husten mit blutigem Auswurf zeigen würde. Der Kunde lebt 100 Kilometer von Ulm entfernt und hat sich vorsorglich schon in aller Frühe auf den Weg zu uns gemacht. Wir teilen ihm sofort mit, dass wir aufgrund der besonderen Umstände an diesem Tag nicht dazu in er Lage sind, eine in so einem Fall natürlich klar notwendige Bronchoskopie (endoskopische Untersuchung der Luftröhre und der Bronchien) durchzuführen, sagen ihm aber zu, uns von hier aus telefonisch um seine Unterbringung als Notfall in einer anderen Einrichtung zu bemühen und ihn dann entsprechend umzuleiten.
Das Ende vom Lied: Wir haben fast 90 Minuten (!) am Telefon (und natürlich in diversen Warteschleifen) verbracht und sind in x Praxen und Kliniken in einem Umkreis von etwa 80 km um Ulm mit unserer Bitte um Versorgung der Patientin abgeblitzt. Natürlich haben wir uns dabei auf (vermeintlich) personalstarke und leistungsfähige Einrichtungen konzentriert. Ein kurzer Abriss ohne Anspruch auf Vollständigkeit: AniCura Kleintierzentrum Neu-Ulm GmbH: Nur ein Tierarzt im Dienst, keine Kapazitäten frei. AniCura Kleintierklinik Babenhausen GmbH: Keine freien Termine. Tierklinik Gessertshausen: Keine Kapazitäten frei. AniCura Kleintierspezialisten Augsburg: Kein Durchkommen durch die Warteschleifen, sowohl unter der Telefonnummer für Tierbesitzer:innen als auch unter der speziell für überweisende Kolleg:innen. AniCura Kleintierspezialisten Kempten: Keine freien Termine. AniCura Tierklinik Stuttgart Plieningen: Keine Kapazitäten frei, usw. und so fort.

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