Schwurbelei in der Tiermedizin II: Deserteure, Profiteure und Verräter
Von Ralph Rückert, Tierarzt
Das Universum der wissenschaftlichen (Tier-)Medizin ist beängstigend groß und dehnt sich mit rasanter Geschwindigkeit aus. Für uns Mediziner ist das ein echtes Problem. Wirklich und permanent am Ball zu bleiben, keine neuen, für unsere Patienten relevanten Entwicklungen zu versäumen, ist eine kraftraubende Anstrengung, an der man manchmal schier verzweifeln kann und am Ende der Karriere meist tatsächlich verzweifelt, weil einem mit zunehmender Erfahrung immer klarer wird, was man alles noch nicht weiß und auch nie wissen wird. Jede(r) reagiert auf ihre/seine Weise auf diese Herausforderung. Manche ruinieren sich, ihre Gesundheit, ihre Familien, ihre Beziehungen, und schaffen es trotzdem, als an beiden Enden brennende Kerzen zu unser aller Nutzen Licht ins Dunkle zu bringen und herausragende Arbeit zu leisten. Die meisten von uns versuchen mehr oder minder erfolgreich, unter Beibehaltung einer wenigstens halbwegs vernünftigen Work-Life-Balance ihren Patienten gute (Tier-)Ärzt:innen zu sein und zu bleiben. Einige (zu viele!) verzweifeln, scheitern, nehmen sich das Leben, landen in der Psychiatrie.
Und dann gibt es noch die, die – meist recht früh in ihrer Karriere – einfach desertieren, sich in Feigheit vor dem Feind aus dem gewaltigen Universum der Wissenschaft davonstehlen und sich in ein warmes, gemütliches, kleines Loch verkriechen, von dem aus sie die unzähligen, kalt leuchtenden Sterne wissenschaftlicher Erkenntnis endlich nicht mehr sehen müssen. Dieses Loch hat viele Namen: Alternativmedizin, Komplementärmedizin, Integrative Medizin, Homöopathie, Bioresonanz, Tierkommunikation, usw. und so fort! In Wirklichkeit geht es bei diesem Loch eigentlich eher um einen Abgrund, nämlich den der Quacksalberei und der Kurpfuscherei auf Kosten der Patienten.
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